ADAM10: Ein Schutzschild gegen das schädliche Amyloid

Wie eine Schere kann man sich das Enzym ADAM10 vorstellen: In den Nervenzellen des Gehirns knüpft es sich ein bestimmtes Protein vor, das es schneidet – diese „enzymatische Spaltung“, wie der Schnitt in der Fachsprache heißt, ist ein wichtiger Teil des Schutzmechanismus vor Alzheimer. Wenn ADAM10 wegen einer Mutation nicht mehr zuverlässig arbeitet, erhöht sich damit das Risiko einer Erkrankung erheblich.

ADAM10 gehört zur Familie der Alpha-Sekretasen und hat indirekt mit Amyloid zu tun - jener Substanz, die sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten ablagert und eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der Krankheit spielt. Dieses Amyloid entsteht in Nervenzellen aus einem Vorläuferprotein namens APP (amyloid precursor protein). Wird dieses APP geschnitten, kann Amyloid entstehen – muss aber nicht: Ein Teil der APP-Proteine wird von BACE1 weiterverarbeitet; in diesem Fall entsteht am Ende eines komplexen Prozesses Amyloid. Ein anderer Teil der APP-Proteine wird aber nicht von BACE1, sondern von ADAM10 geschnitten. Und aus ihnen entwickelt sich dann kein gefährliches Amyloid.

Eine Frage des Gleichgewichts

Alle diese Prozesse laufen ganz natürlich bei jedem Menschen ab. Entscheidend ist, dass die Balance gewahrt bleibt: Üblicherweise kommt der Körper mit dem entstehenden Amyloid zurecht. Ein Problem entsteht nur, wenn zuviel Amyloid gebildet wird. In manchen Fällen geschieht das, wenn BACE1 hyperaktiv ist. Es kann aber auch passieren, dass ADAM10 nicht ausreichend arbeitet: Dann verarbeitet es zu wenig APP, das in der Folge auch zu Amyloid werden. Das Gleichgewicht ist also gestört.

Es gibt Gen-Mutationen, die dazu führen, dass ADAM10 in der Aktivität nachlässt oder sogar ganz ausfällt. ADAM10 ist allerdings nicht nur ein Schutzfaktor vor der Bildung von Amyloid, sondern hat generell für die Gehirn-Entwicklung eine entscheidende Bedeutung. Die Forschung hat zum Beispiel gezeigt, dass Mäuse in der embryonalen Phase nicht überleben, wenn ihnen ADAM10 fehlt; ihr Gehirn entwickelt sich dann nicht ausreichend.

Künstliche Stimulation als Ansatzpunkt für eine Therapie

Für Alzheimer arbeitet die Forschung an Medikamenten, mit denen sich ADAM10 künstlich stimulieren lässt. Denkbar ist ihr Einsatz in zwei Fällen: Erstens dann, wenn ADAM10 zu wenig arbeitet. Und zweitens auch dann, wenn BACE1 hyperaktiv ist und zu viel Amyloid bildet. In diesem Fall könnte eine erhöhte ADAM10-Aktivität das gestörte Gleichgewicht wieder herstellen. Es wird sogar darüber spekuliert, dass eine hohe Aktivität von ADAM10 kognitive Defizite kompensieren könnte, die bereits bestehen. Es ist also denkbar, dass es nicht nur in der Prävention eine Rolle spielt, sondern sogar zur Heilung beitragen kann. In einem Mausmodell ist genau das bereits gelungen. Alle dieser möglichen Wirkungen sind allerdings Zukunftsmusik: Derzeit befinden sich keine entsprechenden Medikamente in klinischen Studien.

Das Kürzel ADAM steht für den englischen Fachbegriff „a disintegrin and metalloproteinase“. Als Metalloproteasen werden Enzyme bezeichnet, die für ihre Aufgabe – das Schneiden von Proteinen – ein Metall-Ion als Katalysator benötigen. Im Fall von ADAM10 ist das Zink. Es gibt aber nicht nur diese eine Metalloprotease: Eine ganze Familie von ADAM-Proteinen ist in der Forschung bekannt, sie besteht aus fast zwei Dutzend Mitgliedern, die jeweils eine Nummer tragen. Jedes von ihnen erfüllt unterschiedliche Funktionen; ADAM10 gilt mit Blick auf Alzheimer als relevanteste dieser Substanzen.

Stand: 13.08.2024

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