Amyloid: der Auslöser einer tödlichen Kaskade, die zum Nervenzelltod führt.
Bei Alzheimer-Patienten bilden sich schon lange vor den ersten Symptomen regelrechte Amyloid-Klumpen im Gehirn. Bei der Entstehung der Krankheit spielen sie eine zentrale Rolle.
Die Klumpen sind eine der markantesten Erscheinungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten: Sie bestehen aus einem Eiweiß namens beta Amyloid (kurz Amyloid) und setzen sich zwischen den Nervenzellen ab. Als Plaques bezeichnen Fachleute diese Verklumpungen, die die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen stören und letztendlich eine für Nervenzellen tödliche Kaskade einleiten. Die Amyloid-Plaques spielen daher bei der Alzheimer-Erkrankung eine zentrale Rolle – und bieten auch einen wichtigen Ansatzpunkt für künftige Therapien.
Amyloid wird von allen Menschen produziert – von Geburt an. Mit zunehmendem Alter nimmt seine Konzentration im Gehirn zu, auch das ist eine normale Entwicklung. Im gesunden Gehirn wird Amyloid problemlos abgebaut. Bei der Alzheimer-Erkrankung allerdings ist dieser Abbauprozess gestört und es bilden sich die Verklumpungen. Amyloid alleine kann aber nicht die Krankheit auslösen. Im Gehirn aller Alzheimer Patienten gibt es in Nervenzellen eine weitere Ablagerung – die Tau-Ansammlungen. Lange gab es in der Wissenschaft zwei widerstreitende Lager – die Verfechter der Amyloid-Hypothese und die Verfechter der Tau-Hypothese. Die Verfechter sahen jeweils eines dieser Proteine als Auslöser der Alzheimer-Demenz an. Inzwischen ist aber der Gegensatz zwischen den Hypothesen weitgehend aufgelöst: Es hat sich erwiesen, dass Amyloid an der Spitze einer Kaskade steht, die dann die Ansammlung von Tau auslöst, was daraufhin wiederum den Nervenzelltod und damit einhergehend den Gedächtnisverlust einleitet.
Gefährliche Prozesse im Hintergrund
Die Amyloid-Plaques bilden sich bereits in einer sehr frühen Phase. Teilweise dauert es ab den ersten Verklumpungen noch Jahrzehnte, bis die Patienten die ersten Alzheimer-Symptome spüren und zum ersten Mal über Gedächtnisprobleme klagen. Das Tückische daran: In diesem Moment ist die Krankheit schon so weit fortgeschritten, dass es für eine wirkungsvolle Behandlung oft schon zu spät ist. Wer wegen seiner Alzheimer-Erkrankung zum ersten Mal in die Gedächtnisambulanz kommt, in dessen Gehirn haben sich die Amyloid-Plaques üblicherweise schon massiv überall festgesetzt.
Viele Forscherinnen und Forscher, die an einem Alzheimer-Medikament arbeiten, setzen deshalb am Amyloid an. Ihre Überlegung: Wenn sich die Verklumpung in einem frühen Stadium verhindern lässt, könnte das möglicherweise die Erkrankung verhindern. Ansatzpunkt ist die Amyloid-Kaskade: Das Amyloid löst eine ganze Reihe von Folgewirkungen auf molekularer Ebene aus; das ist die namensgebende Kaskade. Wenn man die Plaque-Bildung verhindert, ließe sich dadurch diese Kaskade unterbrechen, ist die Annahme der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Hoffnung auf ein Alzheimer-Medikament
In den vergangenen Jahren sind immer wieder vielversprechende Ansätze gescheitert, zahlreiche Medikamentenstudien mussten eingestellt werden. Zuletzt aber hat ein Wirkstoff namens Lecanemab in einer klinischen Studie große Erfolge in der Alzheimer-Behandlung erzielt. Dieser Antikörper erkennt im Gehirn die Plaques und leitet so deren Abbau durch Immunzellen ein. Antikörper wie Lecanemab schaffen es, bis zu 70 Prozent der Plaques aus dem Gehirn zu entfernen. Über eine 18-monatige Behandlung konnte diese Therapie den Gedächtnisverlust um 34 Prozent reduzieren. Gleichzeitig verringerte sich die Ansammlung von Tau und auch der Nervenzelltod konnte verringert werden. Damit wurde letztendlich auch die Amyloid-Hypothese im Menschen bewiesen. Eine Anti-Amyloid Therapie unterbricht die Kaskade und verlangsamt den Gedächtnisverlust. Für die Patienten ist das ein vielversprechender Erfolg, der allerdings auch seine Einschränkungen hat: Voraussetzung für die Wirksamkeit ist zum Beispiel, dass Patienten schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt behandelt werden – in einem Moment also, wo sie selbst häufig noch kaum einen Gedächtnisverlust bemerken. Vielen Patienten in einem fortgeschritteneren Stadium steht deshalb weiterhin kein Medikament zur Verfügung.
Eine weitere wichtige Frage in Zusammenhang mit Amyloid ist deshalb, wie sich Plaques frühzeitig bemerken lassen. Heute können Forscherinnen und Forscher dafür auf das Amyloid-PET zurückgreifen – diese Positronen-Emissions-Tomographie, ein bildgebendes Verfahren, ist allerdings ein ausgesprochen aufwendiges und teures Verfahren, das sich deshalb nicht flächendeckend einsetzen lässt. Eine Lösung könnten sogenannte Blut-Biomarker sein, wie sie unlängst am DZNE entdeckt worden sind: Dabei handelt es sich um eine Art Indikator, die sich bei einer Blutprobe ermitteln lassen. Sind also bestimmte Substanzen in einer bestimmten Konzentration im Blut vorhanden, deutet das auf die Verklumpung von Amyloid beta im Gehirn hin. Zudem weist eine Verringerung des Amyloids im Blut auf einen beginnenden Ablagerungsprozess im Gehirn hin. Durch die Verklumpung des Amyloids und die Ablagerung in den Plaques gibt es nicht mehr genügend freies Amyloid, das in das Blut abtransportiert werden kann. Dieser Test ist sehr verlässlich und lässt sich schon in sehr frühen Stadien anwenden, in denen das PET nicht sensitiv genug ist.
Stand: 19.05.2023