Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München und des DZNE wird von der Lundbeck Foundation ausgezeichnet
Kopenhagen/London/München, 6. März 2018. Professor Christian Haass, Sprecher des Münchener Standorts des DZNE und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wird gemeinsam mit drei weiteren Neurowissenschaftlern mit dem weltweit bedeutendsten Preis für Hirnforschung ausgezeichnet. Der von der Lundbeck Foundation in Dänemark verliehene „Brain Prize 2018“ ist mit einem Preisgeld von einer Million Euro verbunden. Die jährlich verliehene Auszeichnung würdigt internationale Wissenschaftler, die herausragende Beiträge zu den Neurowissenschaften geleistet haben. Neben Haass erhalten Bart De Strooper (London und Leuven), Michel Goedert (Cambridge) und John Hardy (London) den Brain Prize für ihre bahnbrechenden Forschungen zur genetischen und molekularen Grundlage der Alzheimer-Krankheit. Die Preisverleihung findet am 9. Mai in Kopenhagen statt.
Der Vorsitzende des Brain-Prize-Auswahlkomitees der Lundbeck Foundation, Professor Anders Bjorklund, erklärte: „Die Alzheimer-Krankheit ist eine der verheerendsten Erkrankungen unserer Zeit und in den vergangenen Jahrzehnten wurden bemerkenswerte Fortschritte erzielt. Diese vier herausragenden europäischen Wissenschaftler wurden für ihre fundamentalen Entdeckungen im Bereich der genetischen und molekularen Ursachen der Krankheit ausgezeichnet. Ihre Erkenntnisse sind Grundlage der aktuellen Forschungen, um neurodegenerative Erkrankungen des Gehirns zu diagnostizieren, zu behandeln und möglicherweise sogar zu verhindern. Die Auszeichnung erkennt die Tatsache an, dass die Alzheimer-Krankheit neben Amyloid weitere wichtige Aspekte hat und sich das Feld der Demenzforschung nicht nur auf die Alzheimer-Krankheit erstreckt.“
„Der Brain Prize ist ein Botschafter der Wissenschaft und stellt große Entdeckungen ins Rampenlicht“, sagte Haass. „Wir erleben eine Zeit, in der immer mehr Menschen nicht mehr an die Wissenschaft glauben. Die Wissenschaft mag nicht immer Recht haben, doch sie ist die einzige Möglichkeit für Menschen, die Wahrheit herauszufinden und Fortschritte zu erzielen“. Als Haass 1990 begann, sich mit der Erforschung der Alzheimer-Krankheit zu befassen, war nur sehr wenig über die zellulären Mechanismen bekannt, die an dieser Krankheit beteiligten sind. Seine Arbeit konzentrierte sich auf die Erzeugung und Verstoffwechslung von Amyloid, der Hauptkomponente der Erkrankung, die Proteinablagerungen (sogenannte Plaques) verursacht.
Seine Alzheimer-Forschung konzentrierte sich auf den Ablauf der Ereignisse, beginnend mit dem Amyloid und gefolgt von der Entwicklung von Plaques und Neurofibrillen, die letztendlich Gehirnzellen töten und das Gedächtnis löschen. Haass stellte entgegen der allgemeinen Auffassung zu dieser Zeit die Hypothese auf, dass die Amyloidproduktion normal und nicht notwendigerweise Teil des pathologischen Prozesses sei. Diese entscheidende Erkenntnis war äußerst signifikant und hat seither zur Entwicklung therapeutischer Ansätze zur Senkung der Amyloidproduktion bei Patienten geführt. Professor Haass demonstrierte in Zusammenarbeit mit Hardy, wie Amyloid produziert wird und wie genetische Mutationen in Familien mit sehr aggressiven und seltenen Formen der Alzheimer-Krankheit die Produktion von Amyloid beeinflussen.
Professor Haass generierte kürzlich Mausmodelle, um Entzündungen bei neurodegenerativen Erkrankungen zu untersuchen, die nach seinen Erkenntnissen zumindest anfänglich eine schützende Rolle spielen. Er stellte fest, dass genetische Mutationen die Funktion spezieller Immunzellen – der Microglia – im Gehirn verändern und dies zum Ausbruch der Alzheimer-Krankheit führen kann. Diese Erkenntnis führte zu einem völlig neuen Ansatz bei der Entwicklung neuer Therapien durch Modulation der Aktivität von Microglia.
In Europa sind zirka 10 Millionen Menschen an Alzheimer erkrankt. Alzheimer und andere neurodegenerative Erkrankungen des alternden Gehirns führen zu erheblichem Leid der Patienten und ihrer Familien. Daher sind sie eine enorme gesellschaftliche Herausforderung. Trotz der dramatischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte zählt Alzheimer zu den am schwersten zu behandelnden Krankheiten. Die Pionier-Forschungsarbeit dieser vier europäischen Wissenschaftler hat das Verständnis der Veränderungen des Gehirns, die zu Alzheimer und ähnlichen Demenzerkrankungen führen, revolutioniert.
Hintergrund und Zitate der weiteren Preisträger
Der Genetiker Professor John Hardy ist Leiter der Abteilung für die Molekularbiologie neurologischer Erkrankungen des Institute of Neurology, University College London. Nachdem er Mutationen im Gen für das Protein Amyloid in einer Familie mit frühzeitig einsetzender Erkrankung entdeckt hatte, schlug er eine bahnbrechende „Amyloid-Hypothese“ für die Alzheimer-Krankheit vor, die davon ausging, dass die Krankheit durch die Vermehrung dieses Proteins im Gehirn verursacht wird. Die Krankheit schreitet fort, wenn ein Ungleichgewicht zwischen der Produktion und dem Abbau von Amyloid besteht. Seine Entdeckungen genetischer Mutationen hatten dramatische Auswirkungen auf das Verständnis nicht nur der Alzheimer-Krankheit, sondern auch anderer neurodegenerativer Erkrankungen einschließlich Parkinson. Für seine Arbeiten hatte Hardy bereits 2015 den Hartwig Piepenbrock-DZNE Preis erhalten. „Die Zusammenarbeit mit Ärzten, Genetikern und Zellbiologen schreitet weiter voran. Auch wenn wir noch keine erfolgreiche Therapie gefunden haben, bin ich überzeugt, dass wir auf dem Weg zu rationalen, Mechanismus-basierten Behandlungen sind“, sagte Professor Hardy. „Anfang der 1980er Jahre erforschten wenige Wissenschaftler die Alzheimer-Krankheit. An der ersten Konferenz nahmen nur 40 Personen teil, während wir heute tausende Teilnehmer zählen. Kenntnisse entwickeln sich schnell weiter und die Qualität der Forschung ist hervorragend. Erkenntnisse über die Interaktion der verschiedenen Zelltypen im Gehirn sind eine fundamentale Voraussetzung für unser Verständnis der Funktionsweise des Gehirns.“
Professor Bart De Strooper ist Direktor des britischen Dementia Research Institute am University College London und Professor für Molekularmedizin an der KU Leuven und am VIB Belgien. Er entdeckte, dass Presenilin ein Protein ist, das andere Eiweiße in kleinere Stücke zerschneidet. Dies ist ein wichtiger und komplexer Prozess in der normalen Zellsignalübertragung (der Kommunikation zwischen den Zellen). Mutationen der Presenilin-Gene könne die Alzheimer-Krankheit auslösen. De Strooper fand heraus, dass diese Mutationen zur Produktion von anormalem Amyloid führen, das Hauptbestandteil der Plaques im Gehirn von Patienten mit Alzheimer ist. Er entschlüsselte mit hoher Genauigkeit, was die Mutationen verursachen und wie sie den Krankheitsprozess vorantreiben. „Die frühzeitige Behandlung von Amyloid könnte einen Schutz gegen Alzheimer-Symptome in einer späteren Lebensphase bieten. Wir stehen jedoch vor einer ‚Catch 22‘-Situation, da wir keine Experimente an gesunden Menschen durchführen können“, erklärte Professor De Strooper. „Der Brain Prize würdigt die Tatsache, dass die Grundlagenforschung einen wirkungsvollen Beitrag leistet, auch wenn sie nicht direkt in der medizinischen Gesundheitspflege angewendet werden kann. Der Preis bestätigt jungen Wissenschaftlern, dass sie immer noch wichtige Entdeckungen machen können und wir sie dringend brauchen, um die Erforschung von Krankheiten des alternden Gehirns voranzutreiben.“
Professor Michel Goedert ist Programmleiter des Laboratory of Molecular Biology des Medical Research Council in Cambridge und Honorarprofessor an der Universität Cambridge. Seine Arbeit unter Verwendung menschlichen Hirngewebes, transgener Mäuse, gezüchteter Zellen und gereinigter Proteine war eine wesentliche Voraussetzung für die Entdeckung der Bedeutung des Tau-Proteins für die Alzheimer-Krankheit. Wenn Tau sich unnormal verhält, bildet es Anhäufungen aus Fasern und wird unlöslich. Es wird angenommen, dass ein Krankheitspfad, der von löslichem zu unlöslichem Tau führt, Neurodegeneration verursacht. Professor Goederts Studien jüngeren Datums haben gezeigt, dass sich faserartige Tau-Cluster durch selbsttätige Einsaat entlang der Nervenzellenbahnen ausbreiten. „Schließlich – möglicherweise Jahrzehnte nach der Einsaat – treten die ersten Krankheitssymptome auf“, erklärte Goedert. „Wenn wir die Ausbreitung aufhalten, könnte dies helfen, Krankheiten zu verhindern und zu behandeln.“
Der Brain Prize der Lundbeck Foundation
Der mit einer Million Euro dotierte Brain Prize wird von der Lundbeck Foundation in Dänemark wird 2018 im achten Jahr in Folge verliehen. Der Brain Prize ist eine persönliche Auszeichnung für einen oder mehrere Wissenschaftler, die sich durch herausragende Beiträge zur Hirnforschung ausgezeichnet haben. Weitere Informationen bietet die Website.
Die Lundbeck Foundation ist eine der größten Industriestiftungen in Dänemark mit einem Marktwert von mehr als 60 Milliarden DKK. Sie stiftet jährlich rund 500 Millionen DKK zur Unterstützung der dänischen biomedizinischen Forschung mit besonderem Fokus auf der Neurogesundheit. Vision der Stiftung ist, die Lebensqualität durch neue Erkenntnisse zu verbessern. Weitere Informationen finden sich auf der Website.