Für gewöhnlich werden beim Lernen bestehende Verbindungen zwischen Nervenzellen angepasst und neue geknüpft. Solche Veränderungen beobachteten die Wissenschaftler auch an den Interneuronen der gesunden Mäuse. Bei den Tieren mit Merkmalen von Alzheimer war die zelluläre Verschaltung jedoch gestört, teils waren Nervenverbindungen verkümmert. Außerdem hatten sie Schwierigkeiten, ihre Trainingsumgebung zu erkennen.
Was war die Ursache der gestörten Verschaltung? Die Forscher fanden heraus, dass dieser Effekt durch den Verlust besonderer Zellkontakte ausgelöst wurde, die normalerweise bis an die Interneurone heranreichen. „Schon im Frühstadium von Alzheimer gehen sogenannte cholinerge Verbindungen zugrunde. Ihr Name rührt daher, dass sie für gewöhnlich den Botenstoff Acetylcholin freisetzen“, so Fuhrmann. „Manche dieser Verbindungen sind mit den Interneuronen verknüpft, die wir untersucht haben. Der Verlust dieser Kontakte wirkt sich unmittelbar auf die Interneurone aus. Ihre zelluläre Verdrahtung nimmt Schaden, was ihre Fähigkeit beeinträchtigt, andere Zellen zu inhibieren.“
Ergebnisse stützen die „cholinerge Hypothese“
Schon lange besteht die Vermutung, dass Gedächtnisstörungen bei Alzheimer auf den Verlust cholinerger Verbindungen zurückzuführen sind. Der Abbau dieser Zellkontakte führt zu einem Mangel an Acetylcholin. In der Therapie wird daher versucht, den Schwund des Botenstoffes mit Medikamenten aufzuhalten. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass dieser Ansatz auf lange Sicht nicht erfolgreich ist. Nun könnte die aktuelle Studie dazu beitragen, den Zusammenhang von Acetylcholin und Gedächtnisleistung auf zellulärer Ebene genauer aufzuklären. „Unsere Studie weist auf einen Mechanismus hin, der beim Menschen relevant sein könnte. Demnach beeinträchtigt der Verlust cholinerger Verbindungen die regulierende Wirkung von Interneuronen des Hippocampus. Und das geht zu Lasten der Gedächtnisleistung“, sagt Fuhrmann. „Wenn man in die Zukunft denkt, dann könnten diese Erkenntnisse vielleicht dazu beitragen, Medikamente zu entwickeln, mit denen sich durch Alzheimer hervorgerufene Gedächtnisstörungen effektiver behandeln lassen, als es heute möglich ist.“
Originalveröffentlichung
Dysfunction of somatostatin positive interneurons associated with memory deficits in an Alzheimer’s disease model.
Lena C. Schmid, Manuel Mittag, Stefanie Poll, Julia Steffen, Jens Wagner, Hans-Rüdiger Geis, Inna Schwarz, Boris Schmidt, Martin K. Schwarz, Stefan Remy und Martin Fuhrmann.
Neuron, DOI: 10.1016/j.neuron.2016.08.034