Der „Entorhinale Cortex“ ist ein Bindeglied zwischen dem Gedächtniszentrum, dem sogenannten Hippocampus und anderen Bereichen des Gehirns. Dabei ist er jedoch mehr als eine Schnittstelle, die Nervenimpulse einfach nur übermittelt. Dem Entorhinalen Cortex wird auch eine eigenständige Rolle für Lern- und Gedächtnisprozesse zugeschrieben, insbesondere für das räumliche Gedächtnis. „Man weiß noch wenig darüber, wie dies geschieht“, sagt Prof. Dietmar Schmitz, Forscher am Exzellenzcluster Neurocure der Charité und Standortsprecher des DZNE in Berlin. „Deswegen untersuchen wir im Tiermodell, wie die Nervenzellen innerhalb des Entorhinalen Cortex miteinander verschaltet sind.“
Im Gehirn wandern Signale als elektrische Impulse von Nervenzelle zu Nervenzelle. In der Regel werden sie nicht bloß weitergeleitet. Die Arbeitsweise des Gehirns beruht darauf, dass Nervenimpulse auf nachgeschaltete Zellen in manchen Situationen erregend, in anderen Fällen unterdrückend wirken. Die korrekte Balance zwischen Hemmung und Erregung ist entscheidend für alle Hirnprozesse. „Bisherige Untersuchungen haben sich vorwiegend auf die Signalerregung innerhalb des Entorhinalen Cortex konzentriert. Wir haben uns daher die Hemmung angeschaut und dabei einen Gradienten innerhalb des Entorhinalen Cortex festgestellt“, erläutert Dr. Prateep Beed, Erstautor der Studie. „Das bedeutet, dass Nervensignale nicht gleichmäßig gehemmt werden. Die Blockade der Nervensignale ist in manchen Bereichen des Entorhinalen Cortex schwächer, in anderen stärker ausgeprägt. Die Hemmung hat sozusagen ein räumliches Profil.“
Wenn das Gehirn beschäftigt ist, geschieht es häufig, dass Nervenzellen ihre Arbeitsweise aufeinander abstimmen und im Gleichtakt aktiv sind. In einem Elektroenzephalogramm (EEG) – ein Verfahren, das die elektrische Aktivität des Gehirns erfasst – äußert sich der Gleichtakt der Nervenzellen als periodisches Muster. „Es ist eine offene Frage, wie sich Nervenzellen synchronisieren und wie sie dabei solche Rhythmen hervorbringen“, sagt Beed. Unklar ist auch, ob die Oszillationen nur eine Begleiterscheinung der gemeinsamen Nervenaktivität sind oder ob sie darüber hinaus eine Funktion haben. „Erwiesen ist allerdings, dass neuronale Oszillationen gemeinsam mit Lernprozessen und sogar im Schlaf auftreten. Sie sind ein typisches Merkmal der Hirnaktivität“, meint der Wissenschaftler. „Die ungleichmäßige Hemmung von Nervensignalen, die wir jetzt nachweisen konnten, spielen nach unserer Auffassung für den Gleichtakt der Nervenzellen und die damit verbundenen Oszillationen eine wichtige Rolle.“
Im Fall von Alzheimer zählt der Entorhinale Cortex zu den Hirnregionen, die als erste von der Krankheit betroffen sind. „In jüngster Zeit häufen sich die Studien über diese Hirnstruktur. Dort findet man bereits in einem frühen Stadium von Alzheimer jene Protein-Ablagerungen, die für eine Erkrankung typisch sind“, erläutert Teamleiter Schmitz. „Bekannt ist auch, dass Alzheimer-Patienten ein auffälliges EEG aufweisen. Durch unsere Studie verstehen wir nun besser, wie die Nervenzellen im Entorhinalen Cortex arbeiten und wie es in dieser Region zu Störungen der elektrischen Aktivität kommen kann.“
Originalveröffentlichung:
Inhibitory gradient along the dorso-ventral axis in the medial entorhinal cortex Prateep Beed, Anja Gundlfinger et al. Neuron. DOI: 10.1016/j.neuron.2013.06.038