Gemeinsamer Bundesausschuss fördert Forschungsprojekt
Rostock, 2. Februar 2022. Ein bundesweites Konsortium unter Federführung des DZNE erhält den Auftrag, zu erforschen, ob Patientinnen und Patienten mit Demenz unklarer Ursache von einer Untersuchung des Gehirns mittels Amyloid-Positronen-Emissionstomografie (Amyloid-PET) profitieren. Auftraggeber und Förderer dieser Studie – die Ergebnisse sollen 2026 vorliegen – ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen. Bei Menschen mit einer Demenzerkrankung unklarer Ursache ist der Nutzen der Amyloid-PET bislang nicht hinreichend belegt, weshalb solche bildgebenden Untersuchungen von den Krankenkassen im Allgemeinen nicht bezahlt werden. Die Studienergebnisse sollen es dem G-BA ermöglichen, über Nutzen und Notwendigkeit solcher Untersuchungen zu entscheiden – das Votum hätte Auswirkungen auf die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.
In Deutschland erkranken jedes Jahr rund 300.000 Menschen an Demenz. Bei mehr als 100.000 von ihnen – so Schätzungen –, bleibt unklar, ob der Auslöser die relativ häufige Alzheimer-Erkrankung ist oder eine andere aus dem Spektrum der Demenzerkrankungen. Im medizinischen Jargon heißt das „Demenz mit unklarer Ursache“. Die aktuelle Studie hat das Ziel, solche unbestimmten Diagnosen zu präzisieren, um die Behandlung und letztlich die Lebensqualität der betroffenen Menschen zu verbessern. Dafür sollen mehr als 1.100 Patientinnen und Patienten mit einer Demenz unklarer Ursache in die Untersuchungen eingeschlossen werden. Geprüft wird dabei der Nutzen der Amyloid-PET: Mit diesem bildgebenden Verfahren lassen sich im Gehirn sogenannte Amyloid-Plaques – diese Eiweißablagerungen sind typisch für eine Alzheimer-Erkrankung – nachweisen.
Bundesweites Konsortium
Unter der Federführung des DZNE werden bundesweit 24 Studienzentren, die an Universitätskliniken verortet sind, sowie Einrichtungen aus dem zertifizierten niedergelassenen Bereich mitwirken. Darüber hinaus engagieren sich Fachgesellschaften aus den Bereichen Neurologie, Nuklearmedizin und Radiologie im wissenschaftlichen Beirat des Projekts; ein technischer Beirat und Vertreter der Industrie unterstützen bei technischen Aspekten.
„Dieses Forschungsvorhaben ist eine konzertierte Aktion zahlreicher Partner aus Wissenschaft und Versorgung, mit dem Ziel, die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Demenz zu verbessern. Eine zentrale Rolle spielen dabei das bundesweite klinische Netzwerk des DZNE und unsere enge Kooperation mit Universitätskliniken. Darüber hinaus beteiligen sich viele weitere Akteure an diesem europaweit einzigartigen Projekt“, so Prof. Thomas Klockgether, Leiter der klinischen Forschung am DZNE.
Prof. Wolfgang Mohnike, Ärztlicher Direktor des DTZ Berlin, ein zertifiziertes medizinisches Versorgungszentrum mit Schwerpunkt Nuklearmedizin, ergänzt: „Dieses Vorhaben hat eine lange Vorgeschichte, die zu einem ersten Treffen von Vertretern des PET e.V., der Industrie, der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. und des DZNE mit dem G-BA im April 2017 führte.“
Es handelt sich bei diesem Forschungsprojekt um eine Erprobungsstudie: Ziel einer Erprobungsstudie nach §137e SGB V ist es, Evidenz für den Nutzen einer neuen diagnostischen oder therapeutischen Methode zu gewinnen, um auf dieser Grundlage eine Entscheidung für die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu treffen.
Messung der Alltagskompetenz
Der Aufnahme von Patientinnen und Patienten in die Studie wird im Sommer dieses Jahres beginnen. Sie werden nach dem Zufallsprinzip einer von zwei Gruppen zugeteilt: Die Probanden der einen Gruppe werden mit Amyloid-PET untersucht, die anderen nicht. „So wollen wir herausfinden, ob ein Hirnscan mit Amyloid-PET zu einer genaueren Diagnose führt und ob die Behandlungsmaßnahmen, die sich daraus ergeben, bewirken, dass die Patientinnen und Patienten im täglichen Leben besser zurechtkommen als Probanden der Vergleichsgruppe. Diese Alltagskompetenz werden wir nach wissenschaftlichen Kriterien über einen Zeitraum von zwei Jahren erfassen“, erläutert Studienleiter Prof. Stefan Teipel, Demenzforscher am DZNE-Standort Rostock/Greifswald und Leiter der Sektion Gerontopsychosomatik und demenzielle Erkrankungen der Universitätsmedizin Rostock.
Ist es Alzheimer?
„Bei einer Demenz sind die Therapie-Möglichkeiten zwar begrenzt, dennoch gibt es abhängig von der Art der Demenz spezifische medizinische Maßnahmen, die dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Wenn die Art der Demenz jedoch ungeklärt bleibt, bedeutet dies, dass diese Patientinnen und Patienten eventuell nicht die bestmögliche Behandlung erfahren“, so Teipel. „Wichtig für eine genaue Diagnose ist es, eine Alzheimer-Erkrankung zu bestätigen oder auszuschließen. Im Allgemeinen geschieht dies mit Hilfe verschiedener Verfahren. Dazu gehören insbesondere Gedächtnistests, Labordiagnostik und Untersuchungen des Gehirns per Magnetresonanztomografie.“
Kennzeichen Amyloid
Schafft dieses Vorgehen keine Klarheit, kommt eine Analyse des Nervenwassers, auch „Liquor“ genannt, infrage. „Dabei wird die Konzentration sogenannter Amyloid-Proteine bestimmt. Bei einer Alzheimer-Erkrankung sammeln sich diese Eiweißstoffe im Gehirn und der Messspiegel im Liquor ist ein Indikator dafür, was im Gehirn geschieht“, so Teipel. „Dieses Verfahren wird allerdings relativ selten eingesetzt. Viele Patientinnen und Patienten scheuen sich davor.“
Ablagerungen werden markiert
Eine Möglichkeit, Ansammlungen dieser Eiweißstoffe im Gehirn direkt nachzuweisen, bietet die Amyloid-PET – sie wird insbesondere im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen und Arzneimittelstudien eingesetzt. Den untersuchten Personen wird dazu eine radioaktive Substanz – „Tracer“ genannt – verabreicht, die an die Amyloid-Plaques bindet und somit markiert. Die Strahlung, die von den Molekülen des Tracers ausgeht, wird dann von einem Scanner gemessen und bildlich dargestellt. Auf diese Weise werden Position und Konzentration der abgelagerten Eiweißstoffe erfasst. „Das ist ein sehr empfindliches Verfahren. Was es im konkreten Fall von Menschen mit unklarer Demenz bewirken kann, muss sich aber noch zeigen. Untersuchungen aus den USA deuten darauf hin, dass der Einsatz von Amyloid-PET bei dieser Gruppe von Patientinnen und Patienten von Nutzen sein kann. Inwieweit dies unter den Bedingungen der deutschen Regelversorgung gilt, wollen wir nun klären“, so Prof. Bernd Joachim Krause, Direktor der Klinik für Nuklearmedizin der Universitätsmedizin Rostock und Koordinator der PET-Untersuchungen im Rahmen der Studie.
„Die Verfügbarkeit ausreichender Kapazitäten für die PET-Untersuchungen im Rahmen der Studie wird durch Nuklearmedizinische Zentren an den Universitätsklinika und den DZNE-Standorten wie auch durch niedergelassene PET-Zentren gewährleistet“, berichtet PD Dr. Konrad Mohnike, Vorsitzender des PET e.V., Verein zur Förderung und Verbreitung der Positronen-Emissions-Tomographie.