Bonn, 8.11.2011. Zur Erforschung von Lernen und Gedächtnis mit Computermodellen erhalten Wissenschaftler des DZNE gemeinsam mit ihren Kollegen aus den USA 1,5 Millionen Dollar
Im Rahmen der transnationalen Förderinitiative "Deutschland - USA Zusammenarbeit in Computational Neuroscience" erhält Stefan Remy, Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) gemeinsam mit seinen Kollegen Nelson Spruston, Bill Kath (Northwestern University) und Stephen Smith (Stanford University) 1,5 Mio. US-Dollar zur Erforschung neuronaler Gedächtnisfunktionen. Das Projekt wird über einen Zeitraum von drei Jahren vom National Institutes of Health (NIH) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Ziel des Projektes ist es, neuronale Verschaltungen des Hippokampus besser zu verstehen. Der Hippokampus ist eine Region im Schläfenlappen des Gehirns, die besonders wichtig für Lern- und Gedächtnisleistungen ist. Wissenschaftler nehmen an, dass die Signalweitergabe der Nervenzellen und ihre funktionelle Verschaltung bei vielen Erkrankungen des Nervensystems wie z.B. der Alzheimer-Demenz, Epilepsie und Schizophrenie verändert sind.
Jede Aktivität des Gehirns – Sinneswahrnehmung, Denken, Erinnern – beruht auf der elektrischen Aktivität der Nervenzellen. Elektrische Signale werden von Zelle zu Zelle an ihren Kontaktstellen, den Synapsen, weitergegeben. Im Rahmen der Projektförderung entwickeln Remy und seine Kollegen realistische Computermodelle von einzelnen Nervenzellen und nutzen diese Modelle, um das komplexe Zusammenspiel von Nervenzellen in Netzwerken simulieren zu können. Um kognitiven Leistungen des Gehirns und deren Fehlfunktion bei neurodegenerativen Erkrankungen besser zu verstehen, sind solche Computersimulationen unerlässlich.
Nervenzellen senden lange, fein verästelte Fortsätze in benachbarte Hirnregionen. An rund 50.000 Synapsen – neuronalen Kontaktstellen – erhält eine Nervenzelle elektrische Signale von vorgeschalteten Zellen und rechnet diese Information zusammen. Um realistische Modelle einer Nervenzelle zu entwickeln, ist es wichtig, die genaue Verteilung der Synapsen auf den verzweigten neuronalen Strukturen zu kennen. Auch weitere Faktoren, wie die Stärke des synaptischen Kontakts oder die Dicke des Zellfortsatzes an der Kontaktstelle spielen bei der Signalverarbeitung eine wesentliche Rolle. Diese Faktoren untersuchen Remy und seine Kollegen mithilfe von neuen Methoden mit einer bisher unerreichten Genauigkeit. Zum einen wird die Funktion der Synapsen mithilfe von gezielten Laserpulsen untersucht, die einen Botenstoff – das Glutamat – auf einzelnen oder mehreren Synapsen freisetzen können. Zum anderen analysieren die Wissenschaftler die Struktur der Nervenzelle mit allen Verästelungen und Synapsen mit hochmodernen Mikroskopie- und Tomographiemethoden. Aus verbesserten Computermodellen, die diese Faktoren berücksichtigen, werden neue Hypothesen zur Gehirnfunktion hervorgehen, die dann wieder im Experiment getestet werden sollen. Darüber hinaus untersuchen die Forscher, wie sich die Stärke der Synapsen verändert. Die Veränderung synaptischer Verbindungen aufgrund neuronaler Aktivität, genannt neuronale Plastizität, wird als das Korrelat des Lernens und des Gedächtnisses angesehen und ist bei neurodegenerativen Erkrankungen häufig gestört.