Professor Di Monte, was führt einen renommierten Parkinson-Forscher wie Sie aus dem sonnigen Kalifornien nach Bonn?
Die Definition eines "sonnigen Plätzchens" ist für einen Wissenschaftler da, wo er oder sie die Gelegenheit hat seine Forschungsbemühungen in einer hochgradig interaktiven Umgebung zu verfolgen und wo man von einer hervorragenden Infrastruktur unterstützt wird. Das DZNE bietet diese Möglichkeit und aus diesem Grund werden Wissenschaftler aus der ganzen Welt vom „sonnigen“ Bonn angezogen. Auf einer eher persönlichen Ebene denke ich, dass obwohl ich in der Tat das Wetter in Kalifornien vermissen könnte, die Lebensqualität hier, sowohl in Bezug auf Kultur und Lebensart, einem viel geben kann.
Durch Ihre internationale Karriere haben Sie einen guten Überblick über die "wissenschaftliche Landschaft" in den verschiedenen Ländern. Was ist das Besondere am DZNE im Vergleich zu anderen Forschungseinrichtungen?
Zwei der attraktivsten Eigenschaften des DZNE sind der Fokus auf alle neurodegenerativen Erkrankungen und eine hoch translationale Forschungsumgebung. Grundlegende Mechanismen von Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer-Demenz können besser untersucht werden, wenn die Wissenschaftler mit unterschiedlichem Know-how die Chance bekommen gemeinsam „unter einem Dach“ zu arbeiten. Tägliche Kommunikation fördert den Ideenaustausch, unterstützt eine fruchtbare Zusammenarbeit und begünstigt die gemeinsame Nutzung von state-of-the-art Gerätschaften und von Ressourcen. Ein weiteres „besonderes“ Feature des DZNE ist die sogenannte „bench-to-bedside“ Herangehensweise. Andere Institutionen geben nur an, dass sie einen translationalen Ansatz verfolgen. Am DZNE hat dieser Anspruch Substanz, da hier Grundlagenforscher, Epidemiologen und Kliniker zusammenarbeiten. Das ultimative Ziel ist es, neue Erkenntnisse aus dem Labor in neuartige Strategien für die therapeutische Intervention so rasch und so effizient wie möglich umzuwandeln. Mein Hintergrund als Arzt, der sich seit 20 Jahren auf die Grundlagenforschung konzentriert, lässt mich noch mehr ermessen, wie wichtig der Bedarf an neuen Therapeutika gegen neurodegenerative Erkrankungen ist und wie hoch die Bedeutung der raschen Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Patienten ist, damit diese davon profitieren.
Würden Sie bitte Ihre anstehenden Projekte skizzieren, die Sie mit Ihrer Arbeitsgruppe in Bonn beginnen?
Ich werde in zwei wichtigen Forschungsbereichen weiterarbeiten. Die erste betrifft die Mechanismen die neuronale Zellen anfälliger für neurodegenerative Prozesse machen. Zum Beispiel, bin ich interessiert an altersbedingten Veränderungen die in unserem Gehirn auftreten, denn Altern ist ein eindeutiges Risiko für neurodegenerative Erkrankungen. Außerdem fasziniert mich die Möglichkeit, dass die neuronale Anfälligkeit für diese Erkrankungen durch Umweltfaktoren und Gen-Umwelt-Interaktionen verbessert werden könnte. Wenn die genauen Mechanismen der neuronalen Schädigung identifiziert und Faktoren für die Anfälligkeit geklärt sind, dann werden spezifische vorbeugende Maßnahmen und entsprechende therapeutische Intervention möglich sein. An dieser translationalen Komponente arbeiten wir bereits. So testen wir die Rolle eines Proteins namens Alpha-Synuclein bei altersbedingter und Giftstoff-induzierter neuronaler Schädigung und bewerten Strategien die dieses Protein gezielt zur Neuroprotektion bei Patienten mit Parkinson einzusetzen.
Was erwarten Sie wird die größte Hürde sein?
Aus meiner Sicht wird die schwierigste Herausforderung immer die Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und klinischer Anwendung des neuen Wissens sein. Es ist nicht leicht zu beurteilen, wann eine neue Entdeckung für den Test am Patienten bereit ist, auch wenn die Labortests dies nachdrücklich unterstützten, müssen wissenschaftliche Überlegungen gegenüber praktischen, ethischen und finanziellen Aspekten abgewogen werden. Klinische Studien werden in der Regel sehr teuer und im Falle von neurodegenerativen Erkrankungen erschwert uns der Mangel an spezifischen Biomarkern die Arbeit. Biomarker sind biologische Indikatoren (z. B. eine Blutuntersuchung), die eine zuverlässige Beurteilung des Stadiums der Erkrankung und deren Progression ermöglichen würde. Weil diese Fehlen, sind die Wirkungen von Medikamenten nicht gut objektiv auswertbar, schwer zu fassen und auf jeden Fall teurer. Vom ethischen Standpunkt aus, ist beispielsweise die Auswahl der geeigneten Patienten für die Erprobung neuer Therapeutika eine Herausforderung. Es ist üblich, und unter ethischen Gesichtspunkten allgemein akzeptiert, neue Medikamente an Patienten zu testen, die am stärksten von einer Krankheit betroffen sind und deswegen keine genügende Reaktion auf die Standard-Behandlungen zeigen. Ist es aber wirklich sinnvoll neue neuroprotektive Behandlungen zu testen, wenn die Neurodegeneration bei stark betroffenen Patienten ein verheerendes Ausmaß erreicht hat? Könnte dies einer der Gründe für das Scheitern der klinischen Studien, bezüglich neurodegenerativer Erkrankungen, sein?
Welches sind, aus Ihrer Sicht, die drei wichtigsten Eigenschaften eines hervorragenden Forschers im Bereich der Neurowissenschaften?
Ich würde sagen, Neugier, Einfallsreichtum und Widerstandskraft im Bezug auf Schwierigkeiten und Misserfolgen. Obwohl diese Qualitäten für jeden Wissenschaftler gelten, sind sie besonders wichtig im Bereich der Neurowissenschaften. Man denke nur an die Tatsache, dass Forscher in diesem Bereich versuchen die Mechanismen der Krankheitsentstehung und Entwicklung eines Organs zu entwirren, das Gehirn, das bei weitem das komplexeste unseres Körpers und dessen normale Funktion noch nicht vollständig verstanden ist.
Derzeit ist keine medizinische Intervention für die Parkinson-Krankheit verfügbar. Möchten Sie eine Prognose wagen, wann es einen Durchbruch in der Therapie geben könnte?
Ich treffe immer ungern Voraussagen über Durchbrüche in der Forschung. Das Muster des wissenschaftlichen Entwicklungsprozesses ist eine stete Weiterentwicklung bis zu einem Punkt wo ein „Big Jump“ stattfindet. Er tritt als Folge der Konvergenz von Wissen, technischem Fortschritt, genialer Intuition und/oder zufälliger Umstände auf. Ein Durchbruch könnte daher schon sehr bald geschehen oder es kann mehrere Jahre dauern, bevor wir in der Lage sind das Fortschreiten von Krankheiten wie beispielsweise Parkinson zu verlangsamen, zu stoppen oder sogar umzukehren. Aber einige Überlegungen machen mich sehr optimistisch. Erstens hat sich das Tempo der Fortschritte in der Forschung in den letzten fünf bis zehn Jahren zugenommen, so dass es realistisch ist einen Durchbruch zu erwarten. Unsere Kenntnisse der pathogenetischen Prozesse in der Parkinson-Krankheit werden immer differenzierter. Sie erlauben es uns vielversprechende therapeutische Ziele zu identifizierten, einschließlich des Alpha-Synucleins. Neurodegenerative Erkrankungen sind jetzt im primären Fokus der Forschung aus der Sicht der staatlichen, institutionellen und privaten Institutionen, die die Ressourcen und Mittel zum Kampf gegen diese Krankheiten steuern. Schließlich ist die Gründung neuer Zentren, wie die des DZNE, ein wichtiger Grund für Optimismus, da sie zweifellos die Forschung zu neurodegenerativen Erkrankungen beschleunigen und wie bereits betont therapeutische Innovationen vorantreiben wird.
Professor Di Monte wir bedanken uns für das Gespräch.