Diabetes-Wirkstoff senkt das Risiko einer Demenz

Analyse von Krankenkassen-Daten deutet auf vorbeugende Wirkung hin

Bonn, 23. Juni 2015. Eine Behandlung mit Antidiabetika verringert bei Menschen mit Typ-2-Diabetes – auch „Altersdiabetes“ genannt – das Risiko für Alzheimer und andere Demenzerkrankungen. Am deutlichsten sinkt das Risiko durch den Wirkstoff Pioglitazon. Zu diesem Schluss kommen Bonner Forscherinnen und Forscher des DZNE aufgrund der Analyse von Krankenkassen-Daten. Sie berichten darüber im Fachjournal „Annals of Neurology“.

Bei einem Diabetes Typ 2 ist der Zuckerstoffwechsel gestört, weil das dafür entscheidende Hormon Insulin seine Wirkung nicht richtig entfaltet. Im fortgeschrittenen Stadium stellt der Körper die Produktion von Insulin dann sogar ein, weshalb es extern zugeführt werden muss. Von dieser Erkrankung, die vorwiegend im späteren Erwachsenenalter auftritt, ist schon länger bekannt, dass sie sich auf die geistige Gesundheit auswirken kann: Die Patienten sind stärker gefährdet, eine Demenz zu entwickeln, als Nicht-Diabetiker. Doch wie beeinflussen Antidiabetika dieses Risiko? Diese Frage behandelten der Neurologe Michael Heneka und die Demografieforscherinnen Anne Fink und Gabriele Doblhammer in der aktuellen Studie. Ihre Arbeitsgrundlage waren Daten der Krankenkasse AOK aus den Jahren 2004 bis 2010. Die Datensätze beinhalteten Angaben über Erkrankungen und Medikationen von mehr als 145.000 Männer und Frauen im Alter ab 60 Jahren.

Langzeitbehandlung verringerte Demenz-Risiko

Die Analyse bestätigte bisherige Befunde für ein erhöhtes Demenzrisiko von Diabetikern. Doch es zeigte sich außerdem, dass Pioglitazon dieses Gefahrenpotenzial maßgeblich beeinflussen kann. Der Wirkstoff wird in Tablettenform eingenommen. Er wird sowohl vorübergehend als auch zur Langzeit-Therapie von Diabetes eingesetzt – nämlich solange der Körper noch eigenes Insulin herstellt.

„Die Behandlung mit Pioglitazon zeigte einen bemerkenswerten positiven Nebeneffekt. Sie konnte das Risiko einer Demenz wesentlich verringern“, so Doblhammer. „Je länger die Behandlung, umso geringer das Risiko.“ Am deutlichsten sank das Risiko, wenn der Wirkstoff mindestens zwei Jahre verabreicht wurde. Die so behandelten Diabetiker erkrankten weniger häufig an Demenz als Menschen ohne Diabetes. Doblhammer: „Das Erkrankungsrisiko war um 47 Prozent geringer als bei Nicht-Diabetikern, also etwa nur halb so groß.“

Auch Metformin – ein weiteres, ebenfalls häufig verschriebenes Antidiabetikum – senkte das Risiko für eine Demenz. Seine Wirkung war jedoch geringer als die von Pioglitazon.

Schutz vor Nervenzellschäden

Pioglitazon verbessert die Wirkung des körpereigenen Insulins. Aus Laboruntersuchungen gibt es aber seit längerem Hinweise dafür, dass es auch die Nervenzellen schützt. Für den Neurowissenschaftler Michael Heneka sind die aktuellen Ergebnisse daher keine Überraschung: „Pioglitazon ist entzündungshemmend und hemmt auch die Ablagerung schädigender Eiweiße im Gehirn“, sagt er.

Allerdings seien die genauen Zusammenhänge noch nicht verstanden, betont Heneka: „Unsere Untersuchung deutet darauf hin, dass Pioglitazon eine vorbeugende Wirkung hat. Dieser Effekt tritt auf, wenn der Wirkstoff eingenommen wird, noch bevor sich die Symptome einer Demenz bemerkbar machen. Demnach schützt Pioglitazon insbesondere vor Alzheimer, der häufigsten Form einer Demenz-Erkrankung. Die Ursachen dafür, ob der protektive Effekt nur für Diabetiker gilt oder auch bei Nicht-Diabetikern auftreten würde – das alles sind noch offene Fragen. Der nächste logische Schritt wären daher klinische Studien, die die Wirkung von Pioglitazon und die anderer Antidiabetika in Hinblick auf eine Demenz gezielt untersuchen.“

Originalveröffentlichung
Effect of pioglitazone medication on the incidence of dementia
Michael T. Heneka, Anne Fink, Gabriele Doblhammer.
Annals of Neurology 2015, doi: 10.1002/ana.24439

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