Greifswald, 18. Juli 2017. Das Forschungsprojekt „Unterstützung älterer Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen während und nach dem Krankenhausaufenthalt“ (Intersektorales Care Management-intersec-CM) wird mit rund 1,7 Millionen Euro gefördert. Es wird untersucht, wie ältere Menschen mit Demenz beim Übergang vom stationären Aufenthalt im Akutkrankenhaus in die ambulante Behandlung und Versorgung im eigenen Zuhause besser begleitet werden können. Die Projektmittel stammen aus der Förderinitiative „Gesund - ein Leben lang“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Das Vorhaben wird vom Standort Rostock/Greifswald des DZNE gesteuert. Beteiligt sind Einrichtungen aus Jena (Thüringen), Bethel (Nordrhein-Westfalen) sowie Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen).
DZNE koordiniert Forschungsprojekt zur Unterstützung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus
In Akutkrankenhäusern zeigen mehr als 40 Prozent der über 65-jährigen Patienten kognitive Beeinträchtigungen, die während des Krankenhausaufenthaltes zu Problemen führen können. „Menschen mit Demenz fühlen sich in der ungewohnten Umgebung des Krankenhauses häufig orientierungslos, sie entwickeln Ängste und es kommt häufig zu einer kognitiven Verschlechterung während des Krankenhausaufenthaltes; all dies erhöht die Wahrscheinlichkeit von Wiederaufnahmen und vorzeitiger Heimeinweisung in dieser Patientengruppe“, erklärt Projektleiter der Studie, PD Dr. René Thyrian vom DZNE Standort Rostock/Greifswald.
Die Schnittstelle zwischen dem Krankenhaus und der Primärversorgung für die Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen ist eine besondere Herausforderung. Die Weiterbehandlung nach Operationen (u.a. durch niedergelassene Spezialisten) und die Pflegeversorgung sind oft nicht ausreichend koordiniert, Medikationspläne der Patienten werden nach der Entlassung aus dem Krankenhaus nicht weitergeführt, Entlassungsbriefe, die für die weitere Behandlung und Versorgung erforderlich sind, werden unvollständig oder verspätet an die weiterbehandelnden Ärzte vermittelt und es fehlen leitlinienbasierte klinische Entscheidungshilfen. „Dies führt zu einer unzureichenden Behandlung und Versorgung vieler älterer Patienten, zu vermeidbaren kostenintensiven Wiederaufnahmen im Krankenhaus und zu vorzeitiger Institutionalisierung - sowie der daraus resultierenden Unzufriedenheit von Patienten und Gesundheitsdienstleistern“, erläutert Stefan Kreisel, Ärztlicher Leiter der Abteilung für Gerontopsychiatrie am Evangelischen Klinikum Bethel.
Ziel der intersec-CM-Studie ist die Entwicklung eines umfassenden Entlassungsmanagements über die Krankenhausgrenzen hinweg bis in die Versorgung durch den niedergelassenen Hausarzt. „Der Versorgungsbedarf der Patienten sollte zu einem möglichst frühen Zeitpunkt erfasst werden, um so die Rückkehr von Patienten mit kognitiven Beeinträchtigungen aus dem Krankenhaus in die Häuslichkeit optimal vorbereiten zu können“, so PD Dr. René Thyrian. Dabei soll ein poststationärer Behandlungs- und Betreuungsplan erarbeitet werden, der eine optimale ambulante Versorgung absichert: Speziell qualifizierte Fachkräften setzen diesen Plan um und begleiten den Prozess. Außerdem wird untersucht, wie dieses Konzept in die Versorgungspraxis überführt werden kann. Die Forschungspartner Dr. Adina Dreier-Wolfgramm vom Institut für Community Medicine der Universitätsmedizin Greifswald und Prof. Dr. Horst Christian Vollmar vom Institut für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Jena führen dazu eine Prozessevaluation bei den Beteiligten, das heißt bei Menschen mit Demenz, ihren Angehörigen und den beteiligten Gesundheitsberufen, durch.
Den Rahmen für die Studie bildet das evidenzbasierte Dementia Care Management, welches in der DelpHi-MV Studie am DZNE Standort Rostock/Greifswald bereits erfolgreich umgesetzt wurde. Basierend auf einer umfangreichen computergestützten Befragung, entwickeln speziell qualifizierte Fachkräfte einen am individuellen Bedarf orientierten Behandlungs- und Versorgungsplan für die Patienten mit kognitiven Beeinträchtigungen. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus koordinieren und begleiten sie die Umsetzung dieses Versorgungsplans mit Hilfe eines computergestützten Interventions-Management-System (IMS). „Die Aufgaben umfassen die Initiierung einer medizinischen Diagnostik und Behandlung bezüglich der kognitiven Beeinträchtigung der Patienten, Medikationsmanagement, Pflegeberatung, soziale und rechtliche Beratung sowie Beratung und Information über Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige. Die Fachkräfte ersetzen nicht die anderen Berufsgruppen im Krankenhaus, sondern unterstützen diese kompetent, patientenorientiert und individuell. Langfristiges Ziel ist es, Belastungen für die Patienten zu reduzieren und einen problemlosen Übergang aus dem Krankenhausaufenthalt in die eigene Häuslichkeit zu ermöglichen“, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, Standortsprecher des DZNE Rostock/Greifswald. Er wertet die Förderung durch das BMBF auch als Anerkennung der Versorgungsforschung im DZNE: „Das DZNE hat durch die DelpHi-MV Studie und durch das vom BMG geförderte Projekt Demenznetzwerke in Deutschland bereits wichtige Beiträge für eine Verbesserung der ambulanten Versorgung von Menschen mit Demenz in Deutschland geleistet. Das Projekt intersec-CM soll die erfolgreichen Konzepte nun auch für den Bereich Akutkrankenhaus verfügbar machen.“
Weitere Informationen
Das Projekt startet am 01.08.2017 und hat eine Laufzeit von vier Jahren. Neben dem DZNE-Standort Rostock/Greifswald sind die Abteilung Versorgungsepidemiologie und Community Health des Instituts für Community Medicine der Universitätsmedizin Greifswald, das Institut für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums Jena, die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Evangelischen Klinikums Bethel sowie das Institut für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf beteiligt.
Die Förderinitiative Gesund - ein Leben lang hat das Ziel, die Bedürfnisse von Menschen in verschiedenen Lebensphasen besser zu verstehen und Prävention und Therapien noch passgenauer auszurichten. Das BMBF stellt für die Initiative bis Jahr 2021 insgesamt rund 100 Millionen Euro zur Verfügung.