Bonn, 25. Dezember 2011. Nach einer Rückenmarksverletzung wachsen die Nervenfasern nicht wieder zusammen, neuronale Ausfälle bis hin zur Querschnittslähmung sind die Folge. Bei der Erforschung neuer Therapiemöglichkeiten sind Wissenschaftler immer wieder mit einem experimentellen Problem konfrontiert: Die Nerven sind im Rückenmark tief ins Gewebe eingebettet und mit Methoden der Mikroskopie schwer zugänglich. Dieser experimentellen Hürde sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Professor Frank Bradke, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), nun mit der Entwicklung einer neuen Technologie begegnet. Im Tiermodell behandelten sie das Gewebe des Rückenmarks mit Substanzen, die es für Licht durchlässig machen. So lässt sich der Regenerationsprozess sehr viel schneller und genauer unter dem Mikroskop untersuchen, als dies bisher möglich war. Die Arbeiten wurden während Bradkes Forschungszeit am Max-Planck-Institut für Neurobiologie (Martinsried) in Zusammenarbeit mit Kollegen der Technischen Universität Wien durchgeführt und werden nun in der renommierten Zeitschrift Nature Medicine veröffentlicht. Seit Juli 2011 ist Bradke Wissenschaftler am DZNE in Bonn.
Neurone im zentralen Nervensystem sind von einer Myelinschicht umgeben. Diese Schicht schützt die Nervenzellen, verhindert aber auch ihre Regeneration nach Verletzungen. Warum ist das so? Wie kann man Nervenzellen dazu bewegen, die Verletzungsstelle dennoch zu überbrücken? Um diese Fragen zu beantworten untersuchen Wissenschaftler weltweit den Regenerationsprozess unter dem Mikroskop. Da das Rückenmark auch in Mäusen zu dick und undurchsichtig ist, um es als Ganzes im Mikroskop zu untersuchen, wurde das Gewebe bisher dazu in feine Scheiben geschnitten. Das ist nicht nur mühsam, sondern auch fehlerträchtig, denn beim Zusammensetzen der so entstandenen Teildaten können Ungenauigkeiten auftreten.
Bradke und sein Team haben nun eine Methode entwickelt, mit der das Rückenmark der Maus als Ganzes mikroskopiert werden kann. Dazu wird das Gewebe so behandelt, dass es für Licht durchlässig wird, also transparent erscheint. Der Wasseranteil des Gewebes wird durch eine Substanz ersetzt, die das Licht in ähnlicher Weise bricht, wie die Lipide und Proteine des Gewebes. So kann das Licht leichter in das Gewebe eindringen. Ihre Methode zur Behandlung des Gewebes kombinierten die Forscher mit hochentwickelten Mikroskopietechniken, so zum Beispiel der Ultramikroskopie, bei der das Gewebe mit einem Laserstrahl von der Seite beleuchtet wird.