Maßgebliche Fortschritte in der Alzheimer-Forschung haben Eva-Maria und Eckhard Mandelkow mit ihrem Team durch Untersuchungen eines Proteins namens „Tau“ erzielt. Es ist die Grundsubstanz so genannter Neurofibrillen – winzigen Protein-Ablagerungen, die sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten ansammeln. Im Normalzustand festigt Tau das Zellskelett von Nervenzellen; insbesondere stabilisiert es die Transportwege, entlang derer Substanzen innerhalb der Zellen befördert werden. Schon sehr früh in der Alzheimer-Erkrankung aber verändert sich das Tau-Protein, löst sich vom Zellskelett und legt sich zu Klumpen zusammen.
Seit den 1990er Jahren erforschen Eva-Maria und Eckhard Mandelkow dieses Protein. Dabei war lange Zeit nicht klar, dass das Tau-Protein eine wichtige Rolle bei der Alzheimer-Erkrankung spielt. „Damals hätte niemand gedacht, dass Tau eine solch elementare Bedeutung für die Krankheit hat. Wir haben diesen Ansatz aber weiterverfolgt, weil wir an der Rolle von Tau in den Nervenzellen interessiert waren“, so Eva-Maria Mandelkow.
In wegweisenden Studien haben sie und ihr Ehemann gezeigt, warum das Tau-Protein im Gehirn verklumpt und welche Abschnitte der Molekülstruktur dafür entscheidend sind. Diese Erkenntnisse erlaubten es dem Forscherpaar, genauer zu untersuchen, welche Folgen die Verklumpung des Tau-Proteins für die Nervenzellen hat. Das Ergebnis: Abwandlungen des normalen Tau zerstören die Synapsen der Nervenzellen. Das zeigen beispielsweise Studien an Mäusen. Reichern sich die Proteine in den Nervenzellen an, schneiden diese Mäuse in Lern- und Erinnerungstests schlechter ab als gesunde Tiere und entwickeln typische Symptome einer Alzheimer-Erkrankung. Wird die Produktion von toxischem Tau in den Zellen gestoppt, regenerieren die Synapsen und die Mäuse erholen sich vom Gedächtnisschwund. Diese Beobachtung belegt, dass der Krankheitsprozess im Prinzip umkehrbar ist.
Eckhard Mandelkow: „Ich halte eine wirkungsvolle Therapie gegen Alzheimer für möglich. Entscheidend ist nach meiner Auffassung, dass die Behandlung früh genug beginnt. Viele der heutigen Therapieansätze könnten daran gescheitert sein, dass sie zu spät einsetzen. Denn üblicherweise wird eine Erkrankung erst dann erkannt, wenn typische Symptome wie Erinnerungsstörungen offensichtlich sind. Zu diesem Zeitpunkt ist das Gehirn aber schon stark geschädigt.“
Jüngst hat das Forscherpaar 200.000 Substanzen untersucht, um Wirkstoffe gegen die Verklumpung von Tau zu finden. Manche davon erwiesen sich als mögliche Kandidaten für Medikamente. Ihre Wirkung soll nun weiter erforscht werden.
Prof. Dr. Eckhard Mandelkow hat Physik studiert und am Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung in Heidelberg über die Struktur von Virusproteinen promoviert. Bei einem anschließenden Forschungsaufenthalt an der Brandeis University (USA) befasste er sich bereits mit Proteinen des Zellskeletts und setzte danach diese Forschungsrichtung fort. Er fokussierte sich auf die Erforschung der Struktur und Funktion von Proteinen der Nervenzellen, speziell von Motor-Proteinen, Tau-Proteinen und ihren krankhaften Veränderungen während der Neurodegeneration. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe „Strukturprinzipien der Neurodegeneration“ am DZNE/caesar in Bonn.
Dr. Eva-Maria Mandelkow hat Medizin studiert, arbeitete mehrere Jahre in der Klinik und schlug dann eine Laufbahn in der Grundlagenforschung ein. Sie promovierte am Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung in Heidelberg über Muskelphysiologie. Es folgten Forschungsaufenthalte an der Brandeis University (USA), am Scripps Research Institute (USA) und am MRC Laboratory in Cambridge (Großbritannien), bei denen sie sich mit Proteinen des Zellskeletts beschäftigte. Eva-Maria Mandelkow leitet die Arbeitsgruppe „Zell- und Tiermodelle der Neurodegeneration“ beim DZNE/caesar in Bonn.