Im Forschungsschwerpunkt Pharmakogenomik und individualisierte Medizin des BfArM wird untersucht, inwieweit die genetische Veranlagung dazu beiträgt, wie eine Patientin oder ein Patient auf ein Arzneimittel reagiert. So gibt es genetische Einflüsse auf den Abbau von Arzneimitteln im Körper, den Metabolismus. Sogenannte Ultraschnell-Metabolisierer bauen die Wirkstoffe in Arzneimitteln deutlich schneller ab als die meisten Menschen. Damit steigt das Risiko, dass bei ihnen bestimmte Nebenwirkungen auftreten oder die therapeutische Wirkung ausbleibt. Im Gegensatz dazu stehen die sogenannten schlechten Metabolisierer, die Wirkstoffe langsamer abbauen als die meisten Menschen. Auch das kann aufgrund hoher Wirkspiegel bei normaler Dosis zu Nebenwirkungen führen.
In dem auf drei Jahre angelegten Forschungsprojekt „EMPAR“ wird es konkret um die Frage gehen, ob diese genetischen Unterschiede in ihrem Einfluss auf die Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung erkennbar sind. So kann es durchaus sein, dass Langsam-Metabolisierer andere Versorgungsleistungen in Anspruch nehmen als Schnell-Metabolisierer, da sie im Laufe ihres Lebens andere Erfahrungen mit der Verträglichkeit und Wirksamkeit von Therapien machen.
Um diese Zusammenhänge herauszufinden, wendet die Arbeitsgruppe „Pharmakoepidemiologie“ des DZNE multivariate statistische Analysen an. Dabei werden für die Arzneimitteltherapie relevante genetische Daten mit Gesundheitsdaten der Techniker Krankenkasse (TK) ausgewertet. Dazu schreibt die TK Versicherte ab einem Alter von 60 Jahren an, die mindestens ein Arzneimittel einnehmen, von dem man weiß, dass es aufgrund der genetischen Unterschiede in der Bevölkerung unterschiedlich verstoffwechselt wird. Wenn diese einer Teilnahme zustimmen, geben sie einen Wangenabstrich ab, aus dem man feststellen kann, wie sie das Arzneimittel tatsächlich verstoffwechseln. “Eine solche Untersuchung könnte in Zukunft dazu eingesetzt werden, die medizinischen Leistungen und Medikation präziser und individueller auf die Versicherten abzustimmen“, sagt Priv.-Doz. Dr. Britta Hänisch vom DZNE. „Das Projekt trägt damit zur Arzneimitteltherapiesicherheit bei.“
„Langfristiges Ziel ist es, den Einsatz solcher pharmakogenetischen Tests zur Bestimmung der Stoffwechsel-Profile im Versorgungsalltag zu testen“, so Prof. Dr. Julia Stingl, Vizepräsidentin des BfArM und Projektleiterin. „Wenn die Arzneimitteltherapie präziser auf die Patientinnen und Patienten abgestimmt wird, bedeutet das eine Steigerung in der Qualität der Patientenversorgung. Gleichzeitig könnten Therapien auch wirtschaftlicher werden, etwa durch die optimale Dosierung der Arzneimittel. Nicht zuletzt könnten weniger unerwünschte Arzneimittelwirkungen auftreten.“ Unerwünschte Arzneimittelwirkungen führen Schätzungen zufolge zu 5 bis 10 Prozent aller Krankenhauseinweisungen. Sie beeinträchtigen nicht nur die Gesundheit der Patientinnen und Patienten, sondern verursachen auch Kosten im Gesundheitssystem.
BfArM-Präsident Prof. Dr. Karl Broich wertet die Förderung durch den Innovationsfonds auch als Anerkennung der Expertise des Instituts: „Das BfArM leistet durch seine eigene unabhängige Forschung einen wichtigen Beitrag, um sowohl die Qualität als auch die Sicherheit der Arzneimittelversorgung weiter zu steigern. Das Projekt ist ein Beispiel dafür, wie wir unsere Forschungstätigkeit im Rahmen unserer regulatorischen Arbeit bestmöglich im Sinne der Patientinnen und Patienten einsetzen.“
Prof. Dr. Pierluigi Nicotera, Wissenschaftlicher Vorstand und Vorstandsvorsitzender des DZNE, betont: „Die Präzisionsmedizin könnte maßgeblich dazu beitragen, die Behandlung von Menschen mit Demenz und anderen neurologischen Störungen zu verbessern. Wir sind daher sehr erfreut, an diesem Projekt mitzuwirken. Gleichzeitig verdeutlich das Projekt die strategische Zusammenarbeit zwischen DZNE und BfArM.“
Hintergrund Innovationsfond
Aus dem von der Bundesregierung aufgelegten Innovationsfonds werden von 2016 bis 2019 jährlich 300 Millionen Euro an förderungswürdige Projekte vergeben, 75 Millionen davon für Versorgungsforschung. Übergeordnetes Ziel ist eine qualitative Weiterentwicklung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland.
Der beim G-BA eingerichtete Innovationsausschuss legt in Förderbekanntmachungen die Schwerpunkte und Kriterien für die Förderung fest und entscheidet über die Anträge. Die Mittel für den Fonds werden von den gesetzlichen Krankenkassen und aus dem Gesundheitsfonds getragen. In 2016 wurden dem Innovationsausschuss 296 Antragsskizzen zur Versorgungsforschung eingereicht, von denen 62 Projekte eine Förderung erhalten, darunter auch das Projekt „EMPAR“.