Noradrenalin kann Fortschreiten der Alzheimer-Erkrankung regulieren

Bonn, 15.03.2010 Noradrenalin wirkt im Nervensystem entzündungshemmend und reguliert den Abbau von β-Amyloid in Mikrogliazellen, das zeigen Prof. Michael Heneka und Kollegen des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen und der Universität Bonn. Damit zeigen die Wissenschaftler einen neuen Therapieansatz, um den Ausbruch der Alzheimer-Erkrankung zu verzögern. Denn Entzündungsreaktionen und die Verklumpung von β-Amyloid stehen in Verdacht, Ursachen der Erkrankung zu sein. Ihre Ergebnisse beschreiben die Forscher in der Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (online Publikation ab 15.03.2010).

Die Ursachen vieler neurodegenerativer Erkrankungen wie die der Alzheimer-Erkrankung sind bisher nur wenig bekannt. Die Anhäufung von veränderten Proteinen wie dem β-Amyloid scheint bei der Zerstörung von Nervenzellen eine wichtige Rolle zu spielen. Dabei scheint das β-Amyloid die Entzündungen zum Teil selbst hervorzurufen. In der Therapie der Erkrankung suchen Wissenschaftler deshalb nach Möglichkeiten, Entzündungen im Gehirn und die Anhäufung von β-Amyloid zu verhindern. Dabei setzten die Forscher um Michael Heneka auf zwei wesentliche Erkenntnisse, die schon länger bekannt sind: Zum einen, dass im Gehirn so genannte Mikrogliazellen Entzündungen verhindern und auch die bei der Alzheimer-Erkrankung beschriebenen Amyloid-Verklumpungen abbauen. Zum anderen, dass der neuronale Botenstoff Noradrenalin im Gehirn eine entzündungshemmende Funktion besitzt.

Noradrenalin ist bekannt als Hormon und Neurotransmitter und wird bereits jetzt bei anderen Erkrankungen als Arzneimittel eingesetzt. Im Gehirn wirkt es nicht nur als Überträgerstoff zwischen den Nervenzellen, sondern wird auch in die Umgebung von Nervenzellen abgegeben und wirkt so auf die Mikrogliazellen. Die Wissenschaftler um Michael Heneka konnten nun zeigen, dass die Mikrogliazellen für ihre entzündungshemmende Wirkung Noradrenalin brauchen. Dazu untersuchten sie die Zellen in Zellkultur vor und nach Zugabe von Noradrenalin. Die Zugabe führte in den Zellen zu einer geringeren Ausschüttung von Entzündungsstoffen und zu einem gesteigerten Abbau von β- Amyloid.

Um die Erkenntnisse im lebenden Organismus zu testen, zerstörten die Wissenschaftler in Mäusen, die als Modell für die Alzheimer-Erkrankung dienen, ein Kerngebiet des Hirnstamms, den Locus coeruleus. Dieses Kerngebiet produziert Noradrenalin und versorgt fast alle Bereiche des Gehirns mit diesem Stoff und ist bereits in der Frühphase der Alzheimer-Erkrankung zerstört. Ohne Locus coeruleus wiesen die Mäuse mehr Entzündungsstoffe und mehr Amyloid-Plaques im Gehirn auf. Auch die β-Amyloid abbauende Wirkung der Mikrogliazellen war nicht mehr zu beobachten.

Diesen Effekt konnten die Wissenschaftler rückgängig machen, indem sie den Mäusen einen Noradrenalin-Vorläufer verabreichten, der bereits als Arzneimittel verwendet wird. Die Behandlung mit diesem Arzneimittel führte dazu, dass die Mikrogliazellen ihre entzündungshemmende Wirkung wiedererlangten und wieder mehr β-Amyloid abbauten. „Es ist davon auszugehen, dass ähnliche molekulare Effekte auch in der Frühphase der Alzheimer-Erkrankung im menschlichen Gehirn auftreten. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Behandlung mit dem Noradrenalin-Vorläufer den Ausbruch der Alzheimer-Erkrankung verzögern kann“, so Michael Heneka. Diese Ergebnisse wollen die Wissenschaftler jetzt in der Klinik überprüfen. Prof. Pierluigi Nicotera, der wissenschaftliche Direktor des DZNE sagt dazu: „Dies sind wichtige Ergebnisse, die fundamentale und klinische Relevanz haben und wieder bestärken, dass wir noch mehr die Interaktion verschiedener Gehirnzelltypen und Neurotransmitter untersuchen müssen. Die Gruppe um Prof. Heneka hat eine Reihe sehr wichtiger Beiträge gemacht, die relevante neue pathogene Mechanismen der Alzheimer-Erkrankung aufzeigen.“

Locus ceruleus controls Alzheimer disease pathology by modulating microglial functions through norepinephrine. Michael T. Heneka, Fabian Nadrigny, Tommy Regen, Ana Martinez, Lucia Dumitrescu-Ozimek, Dick Terwel, Daniel Jardanhazi-Kurutz, Jochen Walter, Frank Kirchhoff, Uwe-Karsten Hanisch and Markus P. Kummer. PNAS, doi/10.1073/pnas.0909586107.

Kontakt:
Prof. Dr. Michael T. Heneka
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE)
Universität Bonn
+49 (0228) 287 13092
michael.heneka(at)ukb.uni-bonn.de

Sonja Jülich-Abbas
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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