Welche Proteine sind an der Schädigung der Synapsen beteiligt? Welche zellulären Veränderungen spielen eine Rolle und welche Wirkstoffe könnten dem Untergang entgegenwirken? Um diese Fragen zu beantworten haben sich Herms und seine Kollegen auf die in vivo Zweiphotonenmikroskopie spezialisiert. Mit diesem Verfahren lassen sich strukturelle Veränderungen an den Synapsen im Gehirn der Maus über Wochen bis Monate hinweg zu verfolgen. "Das ist sehr viel sensitiver, als das Verhalten von Tieren zu beobachten und es lassen sich auch besser Rückschlüsse auf den Menschen ziehen – zumindest wenn man von einer primär synaptischen Störung als Ursache neurodegenerativer Erkrankungen ausgeht", erklärt Herms.
Schlagzeilen machte Herms mit einem Ansatz zur Entwicklung einer neuen Methode zur Alzheimer-Früherkennung bzw. Therapiekontrolle. Mit dieser Methode sollen Tau-Aggregate, die sich bei Alzheimer im zentralen Nervensystem anreichern, in der Netzhaut des Auges nachgewiesen werden. Noch testen die Wissenschaftler die Methode im Tiermodell. Lässt sich das Verfahren auf den Menschen übertragen, wäre es möglich, neue diagnostische Verfahren für die Alzheimer-Erkrankung zu entwickeln. "Eine Früherkennung ist gerade bei Alzheimer sehr wichtig, denn die Krankheit beginnt schon lange, bevor die ersten Symptome auftauchen. Dass es noch nicht gelungen ist, eine wirksame Therapie gegen Alzheimer zu etablieren, liegt vermutlich auch daran, dass in den bisherigen klinischen Studien mit der Therapie zu spät begonnen wurde", erklärt Herms.
Über seine Berufung ans DZNE freut sich Herms sehr. "Wir kommen in der Alzheimerforschung nur weiter, wenn wir gängige Hypothesen kritisch hinterfragen und neue Hypothesen entwickeln. Die starke Unterstützung, die wir am DZNE bekommen, und die kritische Masse an Wissenschaftlern am DZNE gibt uns dazu das richtige Forschungsumfeld", sagt er. Am DZNE wird sich der Neuropathologe ganz auf die Grundlagenforschung konzentrieren. Sein medizinischer Hintergrund und sein neuropathologisches Wissen sind für seine Forschung ein wesentlicher Vorteil: "Ein genaues Bild von der Erkrankung beim Menschen hilft mir sehr, die Relevanz bestimmter Beobachtungen im Tiermodell besser einschätzen zu können", sagt Herms.
Jochen Herms studierte Medizin, promovierte an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf und arbeite am anschließend am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen im Labor von Otto Creutzfeldt. 1999 schloss er die Facharztausbildung zum Neuropathologen ab, wurde leitender Oberarzt und habilitierte über die Funktion des Prionproteins in Neuronen an der Universität Göttingen. Seit 2001 lehrt er als Professor für Neuropathologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und folgte 2011 einem Ruf auf einen Lehrstuhl für Translationale Forschung auf dem Gebiet der Neurodegeneration an der Universität München und dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen am Standort München.