Forschungsschwerpunkte
Beeinträchtigte kognitive Funktionen im Kontext räumlichen Lernens gehören zu den frühesten Anzeichen einer Alzheimer-Demenz. Die Analyse der beobachteten Beeinträchtigungen erlaubt es zu verstehen, ob und inwiefern physiologische und kognitive Mechanismen betroffen sind. Darüber hinaus stellt sie eine Möglichkeit dar, potenzielle Träger eines erhöhten Risikos an Alzheimer zu erkranken zu identifizieren.
Experimentelle Manipulationen welche wichtige Einsichten darüber erlauben, wie sich die Krankheit auf bestimmte Hirnstrukturen auswirkt, sind in den allermeisten Fällen auf Arbeiten mit Labortiermodellen beschränkt. Demgegenüber erlauben die neurologischen und neuropsychologischen Untersuchungen im klinischen Kontext eine detaillierte Charakterisierung ob und in welchem Ausmaß bestimmt kognitive Fähigkeiten im Vergleich zu denen gesunder Kontrollen verändert erscheinen. Um diese Lücke zwischen Grundlagen- und klinischer Forschung zu schließen, implementieren wir klassische Versuchstierparadigmen als Computer-basierte virtuelle Lernaufgaben.
Die Verhaltensbiologie beschäftigt sich mit einer hohen Vielfalt unterschiedlicher Messvariablen und deren Zusammenhängen. Räumliches Lernen in komplexen Umgebungen stellt eine signifikante Herausforderung für das Gehirn dar und beinhaltet eine Vielzahl verschiedener kognitiver Prozesse. Moderne statistische Methoden wie z.B. Strukturgleichungsmodelle erlauben es, den Einfluss spezifischer Parameter und deren Bezug auf andere Messgrößen zu beurteilen und wie sie hierdurch das beobachtete Verhalten repräsentieren.
Die Technologieplattform hat drei wissenschaftliche Schwerpunkte:
1. Der Dresden Spatial Navigation Task, DSNT, als sensitives Werkzeug zur Erfassung einer im Kontext neurodegenerativer Erkrankungen veränderten räumlichen Kognition.
Der Dresden Spatial Navigation Task ist eine Computer-basierte virtual-reality Adaptation des Klassischen Wasserlabyrinths nach Morris. Unser Ziel ist es, den DSNT als flexibles und einfach anzuwendendes Verfahren zu etablieren und so eine weitgehend homologe Analyse räumlicher Lernprozesse im Tiermodell und im klinischen Kontext zu ermöglichen. Wir stützen uns dabei auf die Verwendung von Messparametern, welche mit Blick auf ihre jeweilige Konzeptualisierung nahezu identisch sind und sehr ähnliche Aspekte des räumlichen Lernens und Gedächtnisses bei Tier und Mensch erfassen.
Die Analyse der Navigationsleistung erfolgt auf der Grundlage der jeweiligen Bewegungspfade in Form zeitlich geordneter xy-Koordinaten. Neben den klassischen Wasserlabyrinthparametern (Latenz, Pfadlänge, etc.) erlaubt die Verwendung von Matlab-, R- und Python-Skripten zahlreiche neue quantitative und qualitative Messgrößen: Anzahl und Position wiederholt genutzter Landmarken, bevorzugte Bewegungsrichtungen, Lage und Verteilung von Entscheidungspunkten und die bevorzugte Verhaltensstrategie. Neben größerer Effektgrößen für die klassischen Parameter erlaubt der DSNT die Identifikation spezifischerer Lerndefizite im Verlauf einer komplexen räumlichen Lernaufgabe.
In einer ersten Studie haben wir die hohe Sensitivität des DSNT bei der Diskriminierung von MCI-von frühen Alzheimer-Patienten für den gesamten Lernverlauf, als auch für spezifische Aspekte der Akquisition und Integration räumlicher Informationen bestätigt.
2. Bedeutung des Zusammenspiels Region-spezifischer Neurotransmitter im Verlauf räumlicher Lernprozesse.
Das Erlernen der Wasserlabyrinthaufgabe stellt eine Herausforderung dar und der Hippokampus ist nur Teil eines Netzwerkes von Hirnstrukturen die gemeinsam die genutzte Verhaltensstrategie bestimmen, wie sensorische Informationen Teil einer kognitiven Repräsentation werden und wie diese zum Auffinden des Ziels genutzt wird.
Das Messen des Region-spezifischen Transmittervorkommens in verschiedenen Phasen eines Wasserlabyrinthexperiments sowie die Integration dieser Befunde mit Verhaltensparametern über Strukturgleichungsmodelle erlaubt die Identifizierung der dynamischen Zusammenhänge von Transmittersystemen und beobachtetem Verhalten. Das Verstehen wie Neurotransmitteraktivität in bestimmten Hirnstrukturen mit definierten Verhaltenszuständen unter verschiedenen experimentellen Bedingungen korrespondiert, liefert wertvolle Informationen für das Verständnis der Grundlagen kognitiver Plastizität im erwachsenen Gehirn.
3. Verstehen der Akquisition und Expression individuellen räumlichen Wissens durch Verwendung von Markovketten.
Im Verlauf räumlichen Lernens werden spezifische Kontexte mit einer Bedeutung verknüpft, welche sich als Vorwärtsbewegung, Drehung in eine bestimmte Richtung oder das Drücken eines Knopfes manifestieren kann. Da jeder getestete Mensch und jedes getestete Tier ein Individuum repräsentiert, werden individuelle Bewegungstrajektorien beobachtet, die spezifische Erfahrungen ermöglichen oder verhindern und so eine individuelle Lernbiografie formen. Während für einige Probanden eine bestimmte Gruppe von Landmarken von Bedeutung ist, kann diese für andere Probanden von nur geringer Relevanz sein. Im ersten Fall werden diese Landmarken explizit Teil einer Repräsentation sein, während sie im letzteren Fall allenfalls implizit enkodiert werden.
Die Quantifizierung, wie differenziert ein Individuum mit zuvor unbekannten (und bedeutungs-freien) räumlichen Kontexten nach einer bestimmten Anzahl von Akquisitionsdurchgängen interagiert, ermöglicht es, ein sensitives und spezifisches Maß dafür zu erhalten, wie räumliches Wissen akquiriert und in verschiedenen Kontexten genutzt wird. Für die Quantifizierung nutzen wir n-dimensionale Markovketten. Die besondere Stärke unseres Ansatzes besteht darin, dass er eine einheitliche Ausgabemetrik für humane und Tiermodelldaten bereitstellt.