Forschungsschwerpunkte
Die Rolle des Immunsystems in der Alzheimer Demenz
Eine Aktivierung des Immunsystems ist Teil der meisten neurologischen Erkrankungen, und die Entwicklung der Alzheimer-Krankheit (AD) wurde mit Mutationen in Genen des Immunsystems in Verbindung gebracht. Darüber hinaus erhöhen Umwelt- und Lebensstilfaktoren, die eine periphere Entzündung hervorrufen (wie Infektionen, Diabetes oder Fettleibigkeit), das Risiko für die Entwicklung von Alzheimer. Dies deutet auf einen bedeutenden Beitrag des Immunsystems zur AD-Pathogenese hin. Die Immunreaktion bei Alzheimer wird weitgehend von den im Gehirn ansässigen Makrophagen, den Mikroglia, gesteuert, die durch Aß-Ablagerungen im Alzheimer-Gehirn aktiviert werden und diese umgeben. Verschiedene Aspekte der Rolle der Mikroglia in der AD-Pathogenese sind jedoch noch unklar.
Durch unsere Forschung haben wir festgestellt, dass Mikroglia in der Lage sind, sich an entzündliche Ereignisse zu „erinnern“, d. h. Mikroglia zeigen eine Anpassung ihrer Immunreaktionen an nachfolgende Reize über längere Zeiträume. Dabei fanden wir heraus, dass diese langfristigen Anpassungen der mikroglialen Immunreaktionen signifikante Auswirkungen auf die Hirnpathologie in Mausmodellen der Alzheimer-Krankheit und des Schlaganfalls haben. Außerdem konnten wir zeigen, dass diese adaptive Reaktion auf einer epigenetischen Reprogrammierung der Mikrogliazellen beruht. Unsere Ergebnisse deuten also darauf hin, dass Mikroglia verschiedene Entzündungsreize über lange Zeiträume hinweg integrieren können, mit signifikanten Auswirkungen auf die Erkrankung des Gehirns (Wendeln et al., Nature, 2018). Unsere Daten beschrieben somit zum ersten Mal, wie sich das „angeborene Immungedächtnis“ auf Erkrankungen des Gehirns auswirkt, und könnten erklären, wie Entzündungszustände bei menschlichen Patienten (wie Infektionen, Diabetes oder Fettleibigkeit) das Risiko für die Entwicklung von Alzheimer erhöhen oder das Fortschreiten neurodegenerativer Erkrankungen beeinflussen können. Somit zeigen unsere Ergebnisse, dass das angeborene Immungedächtnis ein bisher unerkannter, nicht genetischer Risikofaktor für neurodegenerative Erkrankungen ist (Neher und Cunningham, Trends in Immunology, 2019).
Angesichts der inzwischen beschriebenen Heterogenität praktisch aller Hirnzelltypen haben wir außerdem kürzlich Methoden optimiert, um entweder isolierte Mikroglia oder alle nicht-neuronalen Hirnzellen in postmortalem Maus- und menschlichem Hirngewebe auf Einzelzellniveau zu profilieren. Insbesondere haben wir die sogenannte SHARE-seq Methode für Hirngewebe optimiert, so dass wir nun sowohl die transkriptomischen als auch die epigenetischen Profile ein und derselben Zelle erfassen können (Scholz et al., Meth Mol Biol, 2023). Unsere ersten Daten deuten darauf hin, dass die Kombination von epigenetischen und transkriptionellen Profilen eine verbesserte Auflösung von Mikroglia-Subtypen sowohl im Gehirn von Mäusen als auch von Menschen ermöglicht, wahrscheinlich aufgrund der zusätzlichen Informationen, die im Epigenom enthalten sind, z. B. cis-regulierende Regionen wie Enhancer, die für die Identität und Funktion von Makrophagen entscheidend sind (Scholz et al., Immunological Reviews, 2024). Diese Methode ermöglicht es uns nun, eingehende Analysen darüber durchzuführen, wie sich periphere Entzündungen auf das Gehirn auswirken.
Unsere Forschungsziele sind es:
1. Zu untersuchen, wie periphere Entzündungen die Immunantwort des Gehirns beeinflussen, wie sie ein angeborenes Immungedächtnis induzieren, und wie das Immungedächtnis wiederum die Pathologie neurodegenerativer Erkrankungen und das Altern selbst beeinflusst.
2. Zu verstehen, wie Mikroglia zur Alzheimer-Pathologie und insbesondere zur Amyloidose und dem daraus resultierenden neuronalen Schaden beitragen.
3. Zu definieren, wie sich die mikrogliale Heterogenität bei neurodegenerativen Erkrankungen und im Alter verändert, welche molekularen Signalpfade den Übergang von einem mikroglialen Subtyp zu einem anderen bedingen, und welche mikroglialen Subtypen eine pathologische Rolle spielen.
Die Rolle der vaskulären Dysfunktion in der Alzheimer Demenz
Neben unserer Arbeit über Mikroglia untersuchen wir außerdem die Mechanismen von vaskulärer Dysfunktion und Pathologie, die inzwischen als wichtiger und früher Faktor in der Pathogenese von Alzheimer und als unabhängiger Faktor für den kognitiven Verfall anerkannt sind. In diesem Zusammenhang konzentrieren wir uns auf vaskuläres Amyloid und insbesondere auf Medin. Medin-Amyloid wurde vor 25 Jahren entdeckt und ist das am weitesten verbreitete menschliche Amyloid, da es in den Arterien praktisch aller Menschen über 50 Jahren zu finden ist. Medin wurde jedoch bis vor Kurzem weitgehend ignoriert, da es zuvor mit keiner Krankheit in Verbindung gebracht worden war.
In zwei Studien hat unsere Arbeitsgruppe kürzlich den mechanistischen Nachweis erbracht, dass Medin nicht nur die altersbedingte arterielle Versteifung im Gehirn verursacht (Degenhardt, et al., PNAS, 2020), sondern auch die vaskuläre Aβ-Ablagerung und Schädigung der Blutgefäße bei Alzheimer-Patienten fördert (Wagner et al., Nature, 2022). Unabhängige genetische Analysen, die etwa zur gleichen Zeit veröffentlicht wurden, bestätigen eine mögliche Rolle von Medin-Amyloid als entscheidender Treiber der kardiovaskulären Alterung. Da die vaskuläre Pathologie wesentlich zur altersbedingten Sterblichkeit und Morbidität beiträgt und die vaskuläre Dysfunktion inzwischen auch als Frühindikator und Vermittler des kognitiven Verfalls bei Alzheimer-Patienten anerkannt ist, könnte Medin-Amyloid ein bisher unerkanntes therapeutisches Ziel sein (wie in Madine et al., Nature Aging, 2023, zusammengefasst). Da es derzeit keine Behandlungen gibt, die speziell auf die Wiederherstellung der Gefäßgesundheit und -funktion während des Alterns und der Alzheimer-Krankheit abzielen, könnte die Entwicklung von Therapeutika zur Entfernung von Medin jedes Jahr Millionen von Menschen zugute kommen. Dies ist ein wichtiger Schwerpunkt unserer aktuellen Arbeit.
Unsere wichtigsten Forschungsziele sind es:
1. Zu verstehen, wie Medin die vaskuläre Dysfunktion während des Alterns und der Alzheimer-Krankheit antreibt.
2. Zu untersuchen, ob genetische Mutationen in MFGE8, die sich als schützend gegen kardiovaskuläre Erkrankungen erwiesen haben, die Medin-Bildung und -Aggregation beeinflussen können.
3. Zu prüfen, ob Medin-Amyloid ein spezifischer flüssiger Biomarker für CAA sein könnte,
4. Zu testen, ob Medin-Amyloid ein therapeutisches Ziel für die Wiederherstellung oder Verhinderung vaskulärer Dysfunktion während der Gehirnalterung und Alzheimer Erkrankung ist.