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Projektübersicht
Projektlaufzeit | 01.06.2023 – 31.05.2025 |
Projektfinanzierung | drittmittelgefördert, Bundesministerium für Gesundheit |
Wissenschaftliches Forschungsteam | Universitätsklinikum Bonn, Klinik für Neurodegenerative Erkrankungen und Gerontopsychiatrie Universitätsklinikum Bonn, Institut für digitale Medizin Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Allgemeinmedizin I und Interprofessionelle Versorgung |
Hintergrund
Aktuell leben ca. 1,8 Mio. Menschen mit Demenz in Deutschland (Blotenberg, Hoffmann & Thyrian, 2023). Hausarztpraxen sind in Deutschland die erste Anlaufstelle für Menschen mit Demenz. Aktuelle Schätzungen gehen jedoch davon aus, dass weniger als 10% aller Patienten mit prodromaler und nur rund 40% aller Patienten mit manifester Demenz in der Primärversorgung identifiziert werden (Bohlken & Kostev, 2019; Eichler et. al., 2014; Lang et. al., 2017). Eine Befragung unter betroffenen Patienten, Bezugspersonen und Stakeholdern ergab, dass eine verbesserte Demenz-Früherkennung Platz drei der zehn wichtigsten Versorgungsthemen einnimmt (Kelly et. al., 2015).
Die leitliniengerechte diagnostische Abklärung einer Demenzerkrankung ist zeitaufwändig und findet häufig in Expertenzentren statt. Der primärärztlichen Versorgung kommt aber eine entscheidende Rolle in der Identifikation von Patienten zu, die von einer solchen Abklärung profitieren könnten und trägt dazu bei, eine Fehl-, Unter- oder Überversorgung zu vermeiden.
Vor diesem Hintergrund bergen digitale kognitive Kurztests (Chan et. al., 2021) und eine optimierte Zusammenarbeit mit spezialisierten Zentren die Chance als kostengünstiger, breit verfügbarer und zeitschonender Fallfindungstest Menschen auch schon im frühen Stadium einer Demenz in der primärärztlichen Praxis zu identifizieren und ihnen eine adäquate Diagnostik und Versorgung zugänglich zu machen (Mattke et. al., 2020).
Ziel des Projektes
Ziel unserer Studie ist die Verbesserung der Diagnose und Versorgung von Patienten mit Demenz v.a. im Frühstadium durch ein verbessertes Case-Finding in der primärärztlichen Versorgung. Dieses soll mit Hilfe eines tabletbasierten Kognitionstests erreicht werden, der in den kooperierenden Hausarztpraxen unter Anleitung von zuvor geschulten MFAs durchgeführt und automatisiert ausgewertet wird. In Abhängigkeit vom Testergebnis kann dies entweder die Überweisung zur weiteren Diagnostik und Therapie in eine Gedächtnisambulanz bedeuten, eine Verlaufstestung in 12 Monaten oder keine weiteren notwendigen Maßnahmen.
Ablauf des Projektes
In 10 Hausarztpraxen in der Region Bonn/Rhein-Sieg soll allen Patient:innen über 60 im Rahmen der Gesundheitsvorsorgeuntersuchung optional auch einen „Gedächtnis-Check“ angeboten werden, außerdem kann Patient:innen bei berichteten kognitiven Beschwerden oder bei Verdacht auf eine Demenzerkrankung die Testung angeboten werden.
Nach einer informierten, schriftlichen Einwilligung in die Studienteilnahme sollen MFAs mit den Patient:innen einen kommerziell erhältlichen, selbst administrierbaren tabletbasierten Montreal Cognitive Assessment (MoCA; Nasreddine et. al., 2005) mit automatisierter Auswertung durchführen. An den Test schließt sich ein kurzer digitaler Fragebogen zur Motivation, Erfahrung, Nutzerfreundlichkeit und Zufriedenheit mit der Testung an. Patient:innen, die die Teilnahme ablehnen, werden gebeten, anonym einen Fragebogen hierzu auszufüllen. Die teilnehmenden MFAs, Hausärztinnen und -ärzte sowie 40 Patient:innen werden mittels qualitativer Interviews bezüglich ihrer Erfahrungen mit der Testung befragt, Daraus und aus den Patient:innen-Fragebögen werden wir Daten bezüglich der Akzeptanz, Machbarkeit bzw. Umsetzbarkeit im Praxisalltag gewinnen und daraus Handlungsempfehlungen zur weiteren Optimierung ableiten.
Die Patient:innen werden um ihre Einwilligung gebeten, die Testergebnisse an den behandelnden Hausarzt weiter zu geben und entsprechend den Empfehlungen der automatisierten Test-Auswertung entweder in die Gedächtnisambulanz am UK Bonn überwiesen, im Verlauf von 12 Monaten nachkontrolliert oder über ein unauffälliges Testergebnis informiert.
In der Gedächtnisambulanz soll neben der etablierten Diagnostik ein neu zu entwickelndes zusätzliches digitales Tool eingesetzt werden, das das Potential hat, künftig in noch kürzerer Zeit und voll-automatisiert ähnlich valide Testungen zu ermöglichen wie das MoCA.
Literaturverzeichnis
- Blotenberg, I., Hoffmann, W. & Thyrian, J. R. (2023). Dementia in Germany: Epidemiology and prevention potential. Deutsches Arzteblatt International.
- Bohlken, J., & Kostev, K. (2019). Diagnostic behavior for mild cognitive impairment in general and neuropsychiatric practices in Germany. Journal of Alzheimer's Disease, 68(3), 925-930.
- Eichler, T., Wucherer, D., Thyrian, J. R., Kilimann, I., Hertel, J., Michalowsky, B., ... & Hoffmann, W. (2014). Antipsychotic drug treatment in ambulatory dementia care: prevalence and correlates. Journal of Alzheimer’s disease, 43(4), 1303-1311.L. Lang et al. BMJ Open 7, e011146 (2017).
- Lang, L., Clifford, A., Wei, L., Zhang, D., Leung, D., Augustine, G., ... & Chen, R. (2017). Prevalence and determinants of undetected dementia in the community: a systematic literature review and a meta-analysis. BMJ open, 7(2), e011146.
- Kelly, S., Lafortune, L., Hart, N., Cowan, K., Fenton, M., & Brayne, C. (2015). Dementia priority setting partnership with the James Lind Alliance: using patient and public involvement and the evidence base to inform the research agenda. Age and Ageing, 44(6), 985-993.8. S. Mattke et al. Alzheimers Dement (Amst) 12, e12081 (2020).
- Chan, J. Y., Yau, S. T., Kwok, T. C., & Tsoi, K. K. (2021). Diagnostic performance of digital cognitive tests for the identification of MCI and dementia: A systematic review. Ageing Research Reviews, 72, 101506.
- Mattke, S., Cho, S. K., Bittner, T., Hlávka, J., & Hanson, M. (2020). Blood‐based biomarkers for Alzheimer's pathology and the diagnostic process for a disease‐modifying treatment: projecting the impact on the cost and wait times. Alzheimer's & Dementia: Diagnosis, Assessment & Disease Monitoring, 12(1), e12081.
- Nasreddine, Z. S., Phillips, N. A., Bédirian, V., Charbonneau, S., Whitehead, V., Collin, I., ... & Chertkow, H. (2005). The Montreal Cognitive Assessment, MoCA: a brief screening tool for mild cognitive impairment. Journal of the American Geriatrics Society, 53(4), 695-699.