Interview mit Dr. Anne Maass: "Als Neuroimaging-Standort haben wir ein riesiges Potential"
Anne Maass ist die erste Nachwuchsgruppenleiterin am DZNE-Standort in Magdeburg. Im März begann sie dort den Aufbau ihrer Arbeitsgruppe „Multimodales Neuroimaging“. Wir haben mit ihr über den Start als Gruppenleiterin und ihre Forschung gesprochen.
Zuerst einmal herzlichen Glückwunsch! Wie fühlt man sich als frischgebackene Gruppenleiterin?
Vielen herzlichen Dank! Ich freue mich riesig auf die neue Aufgabe, nun meine eigene Forschungsgruppe aufzubauen und meine Forschungsideen umzusetzen. Natürlich ist es eine große Herausforderung und Verantwortung, eine Gruppe zu leiten.
Wie gestaltet sich jetzt der Aufbau? Sie müssen jetzt sicherlich Equipment anschaffen, damit ihre Mitarbeiter überhaupt forschen können, oder helfen da die Kolleginnen und Kollegen aus?
Genau, zum einem muss ich nun ein Team aufbauen und Bewerber interviewen und zum anderen für eine gute Ausstattung sorgen. In unserer Forschung erheben wir große Mengen an Bilddaten mittels Neuroimaging. Magdeburg ist dabei sehr gut ausgestattet. Mit Hilfe des hier vorhandenen 7-Tesla MRT (Magnet-Resonanztomograph) Scanners können wir Struktur und Funktion des Gehirns mit hoher räumlicher Auflösung erfassen. Außerdem können wir mittels PET-MRT (Positronen-Emissionstomographie) unter anderem Alzheimer-Proteine im Gehirn abbilden. Unterstützt von unserer Magdeburger IT-Abteilung, möchte ich meiner Gruppe einen eigenen Server bereitstellen, der durch seine hohe Rechenleistung eine effiziente Analyse und Modellierung unserer multimodalen Bilddaten ermöglicht.
Sie wollen mittels multimodaler Bildgebung verstehen, welche Gedächtnisnetzwerke bei alten Personen und neurodegenerativen Erkrankungen gestört sind. Was genau bedeutet das?
Multimodale Bildgebung bedeutet in unserem Fall die Kombination aus molekularer Bildgebung (PET) und struktureller sowie funktioneller MRT-Bildgebung. Spezifische radioaktive PET-Tracer ermöglichen es uns, sowohl Amyloid als auch Tau-Pathologie im menschlichen Gehirn zu entdecken. Beide Proteine lagern sich bei der Alzheimer-Krankheit ab und zeigen ein stereotypisches regionales Ausbreitungsmuster. Bestimmte Regionen im Temporallappen, ein Bereich des Gehirns, sind dabei sehr früh von Tau-Fibrillen betroffen, was mit Gedächtnisproblemen einhergeht. Diese Regionen scheinen eine wichtige Rolle für das Wiedererkennen von Objekten zu spielen. Wir haben kürzlich gezeigt, dass die Tau-Pathologie bei älteren Menschen mit einem verminderten Objektgedächtnis verbunden war. Weiterhin zeigten unsere multimodalen Neuroimaging-Daten, dass ältere Probanden mit mehr Tau-Pathologie auch erhöhte Hirnaktivierung während der Gedächtnisaufgabe aufweisen.
Konnten daraus schon praktische Ansätze abgeleitet werden?
Wir stehen zwar noch am Anfang, aber unsere Daten weisen auf die Verwendung von spezifischen Gedächtnisaufgaben als kognitive Marker für die Alzheimer-Krankheit hin. Dabei sind nun vor allem longitudinale Studien (über längere Zeit) notwendig, um die Entwicklung von kognitiven als auch funktionellen (fMRT) Biomarkern zur Früherkennung von Demenz und der Verfolgung des Krankheitsverlaufs voranzutreiben. Mich interessiert vor allem, wie die erhöhte Aktivität, die wir mit fMRT messen konnten, mit der Ausbreitung der Tau-Pathologie zusammenhängt. Unsere Daten und frühere Studien deuten auf ein mögliches therapeutisches Targeting der Hyperaktivität bei der Alzheimer-Krankheit hin.
Sie haben 2015 von der Helmholtz-Gemeinschaft ein Postdoc-Stipendium bekommen und für zweieinhalb Jahre in Berkeley im Labor von Bill Jagust geforscht. War der Wechsel in die US-amerikanische Forschungslandschaft eine große Umstellung zu ihrer damals gewohnten Arbeitsweise aus Magdeburg? Welche Einsichten aus der Zeit in Berkeley würden Sie gerne in ihrer AG beibehalten?
Die Zeit in Berkeley war einzigartig und prägend. Mich hat vor allem die Motivation, Kreativität, Effizienz und der Optimismus der Forscher beeindruckt. Was die technische und methodische Ausstattung angeht, braucht sich Magdeburg nicht zu verstecken. Als Neuroimaging-Standort haben wir ein riesiges Potential und können ruhig selbstbewusster nach außen auftreten. Ich denke, dass Leidenschaft am Forschen, Mut und vor allem Teamwork / Kooperationen essentiell sind, um etwas zu bewegen.
Was begeistert Sie an Wissenschaft im Allgemeinen und in ihrem Forschungsgebiet im Besonderen?
Forschung heißt, neue Erkenntnisse zu gewinnen und somit zum Wissen beizutragen. Das finde ich sehr motivierend. Aber speziell die Gedächtnisforschung hat mich schon immer fasziniert. Mit Hilfe der multimodalen Bildgebung kann ich nun endlich den direkten Zusammenhang zwischen altersbedingter Pathologie, Funktion und Verhalten im lebenden Menschen messen und besser verstehen. Dabei interessiert mich auch, wie manche Menschen trotz Pathologie kognitiv unbeeinträchtigt bleiben. Ein Ziel ist es natürlich, Therapien zu entwickeln, die das Voranschreiten der Demenz verzögern. Hierbei konnten wir schon zeigen, dass eine Sportintervention den Blutfluss im Gehirn und die Gedächtnisleitung positiv beeinflussen kann. Weitere Studien sind jedoch notwendig, um die individuelle Variabilität neurovaskulärer Plastizität besser zu verstehen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Folgen Sie Anne Maass @anne_maass