Darmgesundheit und Gehirnerkrankungen: Forschungsprojekt startet am DZNE Tübingen

Deutschland wird in den kommenden Jahrzehnten einen grundlegenden demografischen Wandel erfahren. Damit nimmt auch die Häufigkeit von Alterserkrankungen zu. Das gilt insbesondere für Formen der Demenz, aber auch für andere neurodegenerative Erkrankungen, beispielsweise Parkinson. Ein kooperatives Forschungsprojekt untersucht nun, welche Rolle das Darmmikrobiom bei der Entstehung und der Therapie dieser Krankheiten spielen könnte.

Das Projekt Molekulare Stratifizierung neurodegenerativer Erkrankungen für Früherkennung und personalisierte Therapiewird vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg bis Ende 2021 gefördert. Dieses Forschungsvorhaben wird im Rahmen des Förderprogramms „Translation an den Schnittstellen der großen Volkskrankheiten“ finanziert und umfasst neben dem DZNE vier weitere Partner: Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH), Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD), Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) sowie das Next-Generation-Sequencing Competence Center Tübingen (NCCT). Von den 440.000 Euro Gesamtbudget erhält das DZNE rund 230.000 Euro.

Im Projekt, das jetzt startet, will ein interdisziplinäres Forschungsteam herausfinden, ob das Darmmikrobiom wichtig bei der Verursachung und bei der Therapie von Gehirnerkrankungen sein kann. Das Mikrobiom des Darms besteht aus Milliarden von Mikroorganismen. Es sorgt mit dafür, dass der Körper Krankheitserreger abwehren kann. Rund 70 Prozent des menschlichen Immunsystems werden vom Darm aus gesteuert. Ein großer Teil der Immunzellen ist in der Darmschleimhaut zu finden. Das liegt daran, dass mit der Nahrung Erreger in den Körper gelangen, auf die das Abwehrsystem rasch reagieren muss.

Wie beeinflusst das Darmmikrobiom die Gesundheit des Gehirns?

„Ein erheblicher Teil des Risikos für Gehirnerkrankungen wie Demenz oder Parkinson liegt nicht nur in den Nervenzellen des Gehirns selbst“, sagt Prof. Peter Heutink, Standortsprecher des DZNE Tübingen. „Stoffwechselerkrankungen, insbesondere Diabetes, und entzündlich-immunologische Prozesse sind wichtige, aber noch wenig verstandene Risikofaktoren für die Entwicklung dieser Krankheiten. Denn Eiweißverklumpungen, die Immunreaktionen und als Folge davon Gehirnerkrankungen auslösen können, treten nicht nur im Gehirn auf, sondern auch in Nervenzellen des Darms. Von dort breiten diese Ablagerungen sich dann offenbar bis ins Gehirn aus.“

Im Projekt sollen die Mikrobiome aus den Stuhlproben von Patienten und Risikopersonen mit verschiedenen erblichen und nicht-erblichen Formen von Parkinson und Demenz in regelmäßigen Abständen untersucht werden. „Unser Ziel ist es, Hinweise darauf zu erhalten, welchen Einfluss das Darmmikrobiom auf Ausbruch und Verlauf der Erkrankungen hat “, erklärt Prof. Thomas Gasser, Leiter der klinischen Forschung am DZNE Tübingen und Vorstandsvorsitzender am HIH. „Außerdem untersuchen wir im Projekt, inwiefern Diabetes und Prädiabetes mit der Entwicklung von Parkinson und Demenz zusammenhängen.“ Für die Studie werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neben Stuhlproben weitere Biomaterialien wie Blut oder Hautzellen aus bereits bestehenden Patientenkohorten analysieren. „Wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass neue diagnostische, therapeutische aber auch präventive Strategien für neurologische Erkrankungen umgesetzt werden können. Möglich wäre vielleicht in der Zukunft, dass durch eine genau auf den jeweiligen Patienten abgestimmte Stuhltransplantation ─ also die Übertragung des Darmmikrobioms einer gesunden Person in den Darm eines Patienten ─ das Fortschreiten von Demenz oder Parkinson verlangsamt oder ihr Beginn hinausgezögert wird“, so Prof. Gasser.

Oktober 2020

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