Neue Nervenzellen: was sich von Fischen lernen lässt
DZNE-Forscher studieren den Zebrafisch auf der Suche nach neuen Ansätzen gegen Alzheimer. Ihre neuesten Ergebnisse sind in PLOS Biology veröffentlicht.
Bei der Alzheimer-Erkrankung schwinden Nervenverbindungen und Nervenzellen sterben ab. Auf Dauer ist das menschliche Gehirn nicht in der Lage, diese Schäden zu bewältigen, woraus sich eine Demenz entwickelt. Andere Spezies haben indes bessere Fähigkeiten, um neuronalen Verletzungen entgegenzuwirken. Was können wir von ihnen lernen? Forschende des DZNE Dresden versuchen diese Frage zu beantworten, indem sie Zebrafische untersuchen. Ihre neuesten Ergebnisse sind in PLOS Biology veröffentlicht.
In vorherigen Studien hatten Dr. Caghan Kizil und Kollegen gezeigt, dass der „Zebrafisch“, ein kleiner Süßwasserfisch, unter experimentellen Bedingungen ein Alzheimer-ähnliches Krankheitsbild entwickeln kann und als Gegenreaktion auf die neuronalen Schäden neue Nervenzellen bildet. Dieses Phänomen wird „Neurogenese“ genannt. Stammzellen spielen dabei eine entscheidende Rolle. Denn sie sind Vorläuferzellen, aus denen die neuen Nervenzellen hervorgehen.
„Das menschliche Gehirn hat im Erwachsenenalter recht begrenzte Fähigkeiten zur Neurogenese. Wir haben uns deshalb angeschaut, was diesen Fisch so besonders macht“, erläutert Kizil, der am DZNE-Standort Dresden eine Helmholtz-Nachwuchsgruppe leitet. Im Fachjournal „PLOS Biology“ präsentieren er und Mitarbeiter neue Erkenntnisse über die Fähigkeit des Zebrafisches zur Regeneration. Die Studie stützt sich auf aufwändige Methoden wie Einzelzell-Transkriptomsequenzierung und maschinelles Lernen. Erstautor ist Prabesh Bhattarai, Doktorand in Kizil’s Arbeitsgruppe.
„Serotonin, das zu den sogenannten Glückshormonen gehört, ist bekanntermaßen an der Neurogenese beteiligt. Seine Rolle ist allerdings nicht gänzlich verstanden. Im Hinblick auf die Neuroregeneration kann dieses Molekül den Prozess sowohl unterdrücken als auch kontextabhängig befördern“, sagt Kizil. „Wir haben nun herausgefunden, dass der Organismus des Zebrafisches die Produktion von Serotonin unter Alzheimer-ähnlichen Bedingungen senken kann, um die Aktivität neuraler Stammzellen zu erhöhen und damit die Bildung neuer Nervenzellen zu fördern. Das ist ein komplexer Mechanismus. Daran beteiligt sind die Immunzellen des Gehirns und ein Zytokin namens Interleukin-4, das von sterbenden Nervenzellen freigesetzt wird.”
Die spezielle Kopplung zwische Immun- und Nervenzellen scheint eine Spezialität des Zebrafisches zu sein. Bei Mäusen, so fanden die Forscher heraus, existiert sie nicht. „Das ist ein evolutionärer Unterschied zwischen den Gehirnen von Zebrafischen und Säugetieren”, sagt Kizil. „Weitere Studien werden das zeigen müssen, aber es könnte Wege geben, die während der Evolution verloren gegangene Regenerationsfähigkeit zu reaktivieren. Unabhängig davon bietet der Zebrafisch sicherlich die Möglichkeit, Alzheimer auf unkonventionelle Weise zu erforschen.”
Originalveröffentlichung
Neuron-glia interaction through Serotonin-BDNF-NGFR axis enables regenerative neurogenesis in Alzheimer’s model of adult zebrafish brain
Prabesh Bhattarai et al. PLOS Biology 2020. DOI: 10.1371/journal.pbio.3000585
Weitere Informationen
Single cell transcriptomics analyses of neural stem cell heterogeneity and contextual plasticity in a zebrafish brain model of amyloid toxicity.
Mehmet Ilyas Cosacak et al. Cell Reports 2019. DOI: 10.1016/j.celrep.2019.03.090
Januar 2020