Ungünstiges Zusammenspiel zwischen Genetik und und Immunantwort
Untersuchungen von Forschenden des DZNE Tübingen werfen neues Licht auf die Mechanismen der Parkinson-Krankheit
Parkinson ist eine Hirnerkrankung, die durch Bewegungsstörungen und weitere Einschränkungen gekennzeichnet ist, welche die Gesundheit und Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können. Von einigen genetischen Mutationen - also angeborenen Veränderungen der Erbinformation - ist bekannt, dass sie die Krankheit auslösen. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle sind die Ursachen der Parkinson-Krankheit jedoch unbekannt und könnten aus einer ungünstigen Kombination mehrerer Faktoren wie Genetik, Lebensweise und möglicherweise Infektionen entstehen. Forscher des DZNE in Tübingen haben nun untersucht, ob und wie Prozesse des Immunsystems in Kombination mit einer mit Parkinson-assoziierten Mutation neurologische Schäden verursachen könnten. Die in "Nature Communications" veröffentlichten Ergebnisse basieren auf Untersuchungen an menschlichen Nervenzellen und Mikroglia, den Immunzellen des Gehirns. Beide Zelltypen wurden aus Stammzellen gewonnen, die aus der Haut von Parkinson-Patienten entnommen wurden. Alle Zellen trugen eine Mutation in dem Gen, das ein Protein namens LRRK2 oder "Dardarin" kodiert,welches die häufigste Ursache der familiären Parkinson-Krankheit ist.
"Wir haben herausgefunden, dass die Interferon-Signalübertragung, einer der entscheidenden Signalwege, der im Verlauf von Infektionen aktiviert wird, menschliche Nervenzellen angreifbarer macht und die Funktion von Mikroglia beeinflusst", sagt Dr. Michela Deleidi, Forschungsgruppenleiterin am DZNE Tübingen. "Interessanterweise werden diese Effekte durch das Vorhandensein von LRRK2-Mutationen verstärkt, was darauf hindeutet, dass Personen mit diesen erblichen Mutationen ein höheres Risiko haben könnten, eine immunbedingte Neurodegeneration und damit Parkinson zu entwickeln. Unsere Erkenntnisse haben möglicherweise therapeutische Auswirkungen, da Wirkstoffe, die auf LRRK2 abzielen, derzeit in klinischen Studien für die Behandlung der Parkinson-Krankheit getestet werden".
Die Ergebnisse von Deleidi und Kollegen unterstützen die seit langem gehegte Vermutung, dass immunologische Prozesse bei der Entstehung von Parkinson eine Rolle spielen. Sie könnten sogar im Zusammenhang mit der aktuellen Pandemie durch das Coronavirus SARS-CoV-2 von Bedeutung sein. "Es ist interessant, dass es nach der Grippepandemie am Ende des Ersten Weltkriegs eine hohe Zahl von Parkinsonpatienten gab. Daher könnten unsere Ergebnisse helfen, den Zusammenhang zwischen Infektionen und der Parkinson-Krankheit sowie die möglichen langfristigen Auswirkungen des aktuellen Coronavirus-Ausbruchs zu verstehen", so Deleidi.
Originalveröffentlichung
Interferon-γ signaling synergizes with LRRK2 in neurons and microglia derived from human induced pluripotent stem cells, Vasiliki Panagiotakopoulou et al., Nature Communications (2020), DOI: 10.1038/s41467-020-18755-4 8
Oktober 2020