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Versorgungsforschung im ganzen Land

Bundesweites Forschungsnetzwerk geht an den Start / Kick-Off am 18.11.

Forscherinnen und Forscher in Rostock/Greifswald, Witten und an fünf weiteren Standorten des DZNE mobilisieren derzeit ein einzigartiges Projekt – mit dem Ziel, die Lebenssituation von Menschen mit Demenz und Angehörigen landesweit zu verbessern. Denn seit August läuft der Aufbau des „Translationalen Netzwerkes für Demenz-Versorgungsforschung“ (TaNDem). Mit einer Million Euro an Fördermitteln durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) soll das DZNE bis Ende dieses Jahres eine Infrastruktur erschaffen, die einen intensiven Austausch zwischen Wissenschaft, Versorgungspraxis und Menschen mit Demenz sowie deren Angehörigen ermöglicht – und zwar bundesweit. Das Vorhaben ist erklärter Bestandteil der Nationalen Demenzstrategie der Bundesregierung.

„Das Netzwerk soll Basis und Ideenschmiede für bundesweite Projekte der Versorgungsforschung sein. Dafür gibt es bislang keine dauerhafte Plattform. Diese Lücke soll das Netzwerk schließen und zugleich Prinzipien der partizipativen Versorgungsforschung, also die Mitwirkung von Menschen mit Demenz und Angehörigen, als Standard etablieren“, sagt Dr. Bernhard Michalowsky, der den aktuellen Aufbau gemeinsam mit Prof. Wolfgang Hoffmann, Standortsprecher des DZNE Rostock/Greifswald, vorantreibt. „Versorgungsforschung ist stark praxisbezogen. Deshalb hält das DZNE auf lokaler und regionaler Ebene den Kontakt zu Pflegeeinrichtungen, Ärztenetzwerken, Kliniken, Angehörigengruppen und anderen Akteuren. Mit dem Netzwerk wollen wir Forschende und alle an der Versorgung Beteiligte zusammenführen. Gleichzeitig soll das Netzwerk die nachhaltige Implementierung erfolgreicher Versorgungsmodelle in die Praxis unterstützen. Wir möchten, dass Erkenntnisse aus der Versorgungsforschung schneller bei Menschen mit Demenz und pflegenden Angehörigen ankommen.“

Aufbau im Zeitraffer

Der Startschuss fiel im Sommer, seitdem haben Bernhard Michalowsky (Greifswald), Wolfgang Hoffmann (Greifswald), Stefan Teipel (Rostock), Martina Roes (Witten) und viele weitere Kolleginnen und Kollegen im DZNE mit dem Aufbau des Netzwerks alle Hände voll zu tun: Verfahren wurden etabliert, Technik eingekauft, Personal eingestellt und Dienstleister beauftragt. Alles ist durchgeplant und getaktet. Tempo ist angesagt, denn die Förderung durch das BMBF läuft nur noch bis Ende des Jahres – bis dahin soll das Netzwerk betriebsbereit sein. Wie es danach weitergeht, soll im November diskutiert werden: Dann findet in Bonn die große Kick-Off-Veranstaltung statt.

Schnellere Forschung

Das Netzwerk soll auch dazu beitragen, dass Forschungsideen schneller als bislang in konkrete Projekte umgesetzt werden. „Wenn bundesweit Wissenschaft, Versorgungspraxis, Menschen mit Demenz und deren Angehörige in regelmäßigem Austausch sind, wird es einfacher, Partner für wissenschaftliche Studien zu finden. Man kommt rascher zusammen, da wir nicht erst lange nach Gleichgesinnten suchen müssen“, so Prof. Hoffmann. „Mit dem Netzwerk verfolgen wir daher einen Trial-Ready-Ansatz. Alle Beteiligten stehen quasi in den Startlöchern, um an Studien mitzuwirken. Das sollte einiges erleichtern.“

Netzwerkknoten

Die Federführung des Netzwerkes liegt bei den schon lange in der Versorgungsforschung tätigen DZNE-Standorten Rostock/Greifswald und Witten. Gemeinsam mit weiteren Standorten – aktuell sind es Berlin, Bonn, Dresden, Magdeburg und Ulm – bilden sie das Rückgrat des Verbundes. An diesen sieben Netzwerkknoten haben Studienassistenzen oder wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den vergangenen Wochen mit der Aufbauarbeit begonnen. „Sie gehen aktiv auf Akteure der Versorgungspraxis in der jeweiligen Region zu. Das sind beispielsweise Pflegeeinrichtungen, Arztpraxen und Krankenhäuser. Außerdem sprechen sie mit Betroffenengruppen und Selbsthilfeorganisationen. Sie alle werden gefragt, ob sie bereit sind, am Netzwerk mitzuwirken, welche Erwartungen und Wünsche sie haben und welche Themen für sie relevant sind“, erläutert Michalowsky. „Der Aufbau des Netzwerkes geschieht partizipativ. Das DZNE hat die Federführung, aber alle Beteiligten sollen sich wiederfinden. Deswegen werden ihre Vorstellungen unmittelbar in die Gestaltung des Netzwerkes einfließen.“

Austausch von Expertise

DZNE-Standorte, die bislang nicht in der Versorgungforschung aktiv waren, sollen bei künftigen Forschungsprojekten in diesem Bereich von einem „Methodenzentrum“ profitieren – einer Organisationseinheit innerhalb des Netzwerks, die Expertise für alle Beteiligten niedrigschwellig bereitstellt: „Wir werden Know-how und Instrumente der Versorgungsforschung vermitteln, ohne dass diese an den jeweiligen Standorten selbst erst aufwändig aufgebaut werden müssen. Das soll insbesondere über Lehrmodule in Form digitaler Präsentationen geschehen. Voraussichtlich werden Witten und Rostock/Greifswald dennoch Forschungsprojekte an anderen Standorten intensiv begleiten“, so Prof. Martina Roes, Standortsprecherin des DZNE Witten. „Das Netzwerk entsteht als Organisationsstruktur des DZNE, langfristig möchten wir aber mit Forschenden aus Universitäten und weiteren wissenschaftlichen Institutionen kooperieren. Und vor allem möchten wir Menschen mit Demenz und deren Angehörige in die Forschung einbinden. Momentan wird dies über den Patientenbeirat des DZNE gewährleistet.“

Digitale Infrastruktur

Für den Austausch wissenschaftlicher Daten unter den Mitgliedern des Netzwerkes entsteht ein Datenbank- und Datenmanagementsystem mit eigenen Servern. „Das geschieht natürlich gemäß den Auflagen des Datenschutzes und unter der Berücksichtigung höchster Sicherheitsstandards“, betont Dr. Francisca Rodriguez, die den Aufbau dieser technischen Infrastruktur begleitet. „Außerdem haben wir Computer-Arbeitsplätze und Tablets angeschafft. Diese Geräte werden für Forschungsprojekte im Netzwerk leihweise zur Verfügung gestellt. Sie können dann überall dort genutzt werden, wo ein Netzwerk-Projekt stattfindet. Zum Beispiel von Pflegeeinrichtungen, die sich in einem Forschungsprojekt engagieren.“

Visitenkarte im Web

Das Internetportal des Netzwerkes wird – neben allgemeinen Informationen – ein spezielles Angebot für Mitglieder bereithalten: Sie erhalten Zugriff auf ein webbasiertes Versorgungsmanagementsystem (VMS), mit dessen Hilfe sich die Bedarfe von Menschen mit Demenz genau erfassen lassen. „Das DZNE hat ein solches VMS zu Studienzwecken entwickelt und bei Hausbesuchen erfolgreich eingesetzt. Letztlich handelt es sich um einen umfangreichen digitalen Fragebogen zur Lebens- und Versorgungssituation von Patientinnen und Patienten. Aufgrund der Antworten generiert das System Vorschläge, um die Versorgungslage zu Hause zu verbessern“, so Michalowsky.

Hinter dem VMS verbirgt sich intelligente Software. Diese gleicht die individuelle Situation von Menschen mit Demenz mit einem Maßnahmenkatalog ab, in dem Bedingungen für eine Verbesserung der Versorgung und Lebensumstände beschrieben sind – dabei geht es zum Beispiel um Pflegebedarfe, ärztlich verschriebene Medikamente und wie die Wohnraumgestaltung an die Versorgungsituation angepasst werden könnte. Prof. Hoffmann: „Bislang haben wir das VMS nur als Forschungsinstrument genutzt. Derzeit wird es für den Einsatz in der Praxis weiterentwickelt. Es könnte zum Beispiel für ambulante Pflegedienste hilfreich sein. Weil das VMS Informationen zur Versorgungssituation von Menschen mit Demenz anonymisiert erfasst, erhalten wir darüber gleichzeitig Einblicke in die Versorgungslandschaft in Deutschland. Für die Wissenschaft und auch für Versorger und Leistungserbringer sind das wertvolle Informationen. So sehen wir, wo konkret Handlungsbedarf besteht und wo offene Forschungsbedarfe liegen.“

Kick-Off im November

Am 18. November wird das Netzwerk offiziell vorgestellt (zur Anmeldung). „Der Rahmen dafür ist eine große Veranstaltung im Bonner DZNE, die auch live gestreamt wird. Wir erwarten dazu Vertreterinnen und Vertreter der Bundesministerien, Fachleute aus Wissenschaft und Praxis, Angehörige sowie Patientinnen und Patienten“, sagt Bernhard Michalowsky. „Dort wollen wir über die weitere Entwicklung sprechen. Denn nach Abschluss der Aufbauphase sollen mit der neu geschaffenen Infrastruktur rasch konkrete Forschungsfragen angegangen werden. Ideen dafür gibt es viele. Über sie und deren Finanzierung werden wir im November diskutieren.“

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