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Forschende des DZNE untersuchen Orientierungsstörungen im Alter
Orientierungsstörungen kommen bei älteren Menschen häufig vor, vor allem, wenn sie von Alzheimer-Demenz oder anderen Demenzerkrankungen betroffen sind. Dr. Francisca Rodriguez vom DZNE-Standort Rostock/Greifswald hat in einer gemeinsamen Studie mit der Universität Leipzig herausgefunden, dass das Vorliegen von Orientierungsstörungen hauptsächlich vom kognitiven Status, d.h. der vorhandenen Denk- und Merkfähigkeit abhängt. Sie stellten auch fest, dass Veränderungen im Lebensumfeld wahrscheinlich keine Orientierungsstörungen auslösen. Darüber berichten die Forschenden in der Fachzeitschrift „Journal of Alzheimer’s disease“.
Ein häufiges Anzeichen des Alterns sind Orientierungsstörungen (Desorientierung). Vor allem die Fähigkeit zur räumlichen Orientierung lässt im Alter tendenziell nach: Mit dem Alter geschieht es häufiger, dass Menschen sich in der Umgebung nicht gut zurechtfinden. Bei Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen zeigt sich Desorientierung besonders durch Verlaufen oder Umherirren. Betroffene können auch häufig nicht mehr einschätzen, in welchem Jahr sie gerade leben, wo und wie lange sie sich bereits an einem Ort befinden. Bislang liegen nur wenige Forschungsergebnisse zu solchen räumlichen und zeitlichen Orientierungsstörungen vor.
Das Forschungsteam um Francisca Rodriguez hat daher nun untersucht, welche Faktoren die Desorientierung im höheren Lebensalter möglicherweise beeinflussen. Dafür verglichen sie die Daten von rund 2100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus drei Langzeit-Kohortenstudien zur kognitiven Gesundheit älterer Erwachsener. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten in ihrer Analyse fest, dass Orientierungsstörungen vom kognitiven Zustand, also der vorhandenen Denk- und Merkfähigkeit der Teilnehmenden abhingen: Bereits ein Fehler in einem Test zur Demenzerkennung (Mini-Mental Status Test) war mit einer Wahrscheinlichkeit von acht Prozent für Orientierungsstörungen assoziiert. Bei zehn Fehlern lag eine fast 90-prozentige Wahrscheinlichkeit für Desorientierung vor. Das Forschungsteam fand zudem heraus, dass Personen, die im Pflegeheim lebten und die Beeinträchtigungen beim Gehen hatten, öfter von Orientierungsstörungen betroffen waren. Dahingegen scheinen Ereignisse im Leben der Personen, wie beispielsweise der Verlust des Ehepartners oder Veränderungen in der Wohnsituation – wie z.B. ein Umzug – keine Rolle hinsichtlich Orientierungsstörungen zu spielen.
„Ein Mangel an Mobilität bedeutet auch ein Mangel an Stimulation, also an geistiger und körperlicher Anregung, und ist anscheinend relevant“, erklärt Rodriguez. Fehlende Gehaktivitäten könnten daher den Abbau von Hirnarealen beschleunigen, die für die Orientierung in Raum und Zeit benötigt werden. „Je mehr sich ein Mensch selbstständig in seiner Umgebung bewegt, desto mehr Gehirnressourcen werden stimuliert, die am Prozess der Orientierung beteiligt sind“, so Francisca Rodriguez. „Um das abzuklären und praktische Maßnahmen zur Verhinderung und Verzögerung von Desorientierung zu entwickeln, sind aber weitere Studien notwendig.“
Originalpublikation
Disorientation in Time and Place in Old Age: Longitudinal Evidence from Three Old Age Cohorts in Germany (AgeDifferent.de Platform).
Rodriguez, Francisca S. et al.
Journal of Alzheimer’s disease Volume (79) Issue (4) (2021). DOI: 10.3233/JAD-201008
Februar 2021
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