Neuer Indikator für Amyloid-Ablagerungen entdeckt


Ulm/Halle, 13. April 2023 – Zwei charakteristische Pathologien der Alzheimer-Erkrankung hängen zusammen: Ablagerungen des Amyloid-Beta-Peptids im Gehirn und ein hoher Spiegel des Synapsenmarkers Beta-Synuclein im Blut tauchen bei Alzheimer-Patienten gemeinsam auf. Das fand ein internationales Forschungsteam heraus, an dem Experten vom Standort Ulm des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und der Neurologie der Universitätsmedizin Halle federführend beteiligt waren. Ihre Ergebnisse publizierten die Wissenschaftler jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Alzheimer's & Dementia: The Journal of the Alzheimer's Association“.

Das Forschungsteam aus Ulm und Halle hatte bereits vor einem Jahr in einer vielbeachteten Studie dargelegt, dass der Beta-Synuclein-Spiegel im Blut schon sehr früh im Verlauf der Alzheimer-Erkrankung erhöht ist. Das deutet darauf hin, dass Synapsen im Gehirn beschädigt sind – ein Prozess, der zur kognitiven Beeinträchtigung von Patienten führt. Die aktuellen Ergebnisse bauen auf die erste Studie auf: „Wir konnten zeigen, dass der Beta-Synuclein-Spiegel im Blut mit der Menge an Amyloid-Ablagerungen korreliert, und zwar in einer Vielzahl von Regionen des Kortex, also der Hirnrinde“, sagt PD Dr. Patrick Öckl, Erstautor der Publikation und Forscher am DZNE in Ulm. An der Studie waren auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitätsmedizin Halle und vom Center for Alzheimer Research in Stockholm beteiligt.

Für ihre Untersuchungen griffen die Forscher auf die Daten einer Kohorte aus Schweden zurück: 126 Probanden wurden darin untersucht – solche mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen ebenso wie solche mit ausgeprägter Demenz. „Sie hatten alle eine ähnliche Menge an Amyloid-Ablagerungen. Die entstehen sehr früh im Krankheitsverlauf, sogar lange vor dem Auftreten der ersten Symptome“, sagt Prof. Dr. Markus Otto, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Halle. Auch bei Probanden mit bislang erst leichter kognitiver Störung war der Beta-Synuclein-Spiegel im Blut bereits erhöht. Wie sich in der Studie herausstellte, konnte dadurch eine spätere positive Testung auf Amyloid-Ablagerungen vorausgesagt werden. Der Unterschied liegt allerdings in der Komplexität der Testverfahren: Während Bluttests – wenn sie einmal entwickelt sind – einfacher durchzuführen sind, ist die Ermittlung von Amyloid ungleich aufwendiger.

Um festzustellen, wie groß die Amyloid-Ablagerungen sind, nutzten die Forscher die Positron-Emissionstomographie. Diese Hightech-Untersuchung erlaubt die größtmögliche Präzision. Für die Messung des Beta-Synuclein-Spiegels im Blut nutzten sie die Massenspektrometrie. Bislang konnten der Beta-Synuclein-Spiegel und andere Synapsenmarker nur im Nervenwasser, dem sogenannten Liquor, gemessen werden. Um diese Proben zu nehmen, war eine zeitaufwendige und für die Patienten häufig mit Ängsten belegte Liquor-Punktion erforderlich. Dass jetzt ein Bluttest ausreicht, stellt eine erhebliche Vereinfachung der Untersuchung dar.
Die Ergebnisse der Ulmer und Hallenser Forscher können dabei helfen, die Diagnostik zu verbessern. „Die Amyloid-Ablagerungen bilden sich noch lange vor Einsetzen der ersten Alzheimer-Symptome. Das Vorhandensein von Amyloid bedeutet aber nicht automatisch, dass ein Patient auch an Alzheimer erkrankt“, sagt Patrick Öckl. Es stellt sich also die Frage, wann der richtige Zeitpunkt ist, um eine Behandlung zu starten. „Hier könnte der Beta-Synuclein-Spiegel einen Anhaltspunkt bieten: Wenn die Synapsendegeneration startet und damit der Spiegel ansteigt, könnte das ein guter Moment sein.“

Auch können die Ergebnisse helfen, bei Untersuchungen abzuschätzen, wie wirksam Alzheimer-Therapien sind. „Bislang war die kognitive Beeinträchtigung bei Alzheimer-Patienten hierfür die Messlatte“, erklärt Öckl. Wenn die Verschlechterung des Gedächtnisses aufgehalten wird oder sich verlangsamt, galt das als Erfolg einer Behandlung. Ein Indikator im Blut ist eine wertvolle Ergänzung. Als Beispiel führt Öckl das Alzheimer-Medikament Lecanemab an, das im vergangenen Jahr für Schlagzeilen gesorgt hatte: In den klinischen Tests zeigte sich, dass bei den Patienten die Konzentration von synaptischen Markern, ähnlich dem Beta-Synuclein, im Nervenwasser stark gesenkt wurde. Wenn sich diese Ergebnisse statt im Liquor im Blut ablesen lassen, ist das ein signifikanter Vorteil.
 

Originalveröffentlichung
Blood β-Synuclein is related to amyloid PET positivity in memory clinic patients, Patrick Oeckl et al., Alzheimer's & Dementia: The Journal of the Alzheimer's Association (2023)
DOI: 10.1002/alz.13046

April 2023

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