Neue Erkenntnisse über das Infarkt-Risiko bei Schlaganfall
Studie beleuchtet Zusammenspiel von Hirn und Herz
Bei einem Schlaganfall hilft der sogenannte Troponin-Wert das Risiko eines damit einhergehenden Herzinfarkts einzuschätzen. Das zeigt eine gemeinsame Studie des DZNE und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), die beide den Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung angehören. Die Befunde könnten den Weg zu einer besseren Behandlung bereiten.
Patientinnen und Patienten mit akutem Schlaganfall erleiden häufig auch Komplikationen am Herzen. Im Einzelfall ist es allerdings schwer zu beurteilen, ob dabei eine stressvermittelte Herzschädigung vorliegt oder ein Infarkt, also eine Durchblutungsstörung des Herzmuskels, die schnellstmöglich behandelt werden muss. Bei der medizinischen Entscheidung hilft die Bestimmung des Troponin-Wertes im Blut. Dabei wird ein Eiweißstoff erfasst, der aus den Herzmuskelzellen stammt. Ist dessen Konzentration stark erhöht, deutet dies auf einen Infarkt hin – und dann ist eine Herzkatheter-Untersuchung (Koronarangiographie) angesagt. Wird dabei ein Gefäßverschluss oder eine kritische Verengung festgestellt, kann ein sogenannter Stent eingesetzt werden: Dieses Implantat dient dazu, die Gefäße zu erweitern und die Blutversorgung des Herzens zu verbessern.
Unerwartet viele Herzinfarkte bei Schlaganfall
Im klinischen Alltag kommt der Herzkatheter bislang nur bei etwa ein bis zwei Prozent der Schlaganfall-Patienten zum Einsatz. Das könnte sich aufgrund einer interdisziplinären Forschungskooperation von Kardiologen und Neurologen ändern. Denn die gemeinsame PRAISE-Studie von DZHK und DZNE – in deren Rahmen rund 250 Erwachsene mit akutem Schlaganfall und stark erhöhten Troponin-Werten untersucht wurden – ergab: Bei der Hälfte aller Patientinnen und Patienten lag tatsächlich auch ein Herzinfarkt vor.
„Das ist zumindest aus Sicht von Neurologen ein überraschend hoher Anteil, so viele Herzinfarkte hatten wir nicht erwartet“, sagt Prof. Matthias Endres, Direktor der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie an der Berliner Charité und Forscher am DZNE-Standort Berlin. Er leitete die Studie zusammen mit seinen Charité-Kollegen Prof. Christian Nolte und Prof. Ulf Landmesser vom Deutschen Herzzentrum der Charité.
Demnach waren rund 20 Prozent der Schlaganfall-Patienten von einem Herzinfarkt Typ 1 betroffen, der umgehend behandelt werden sollte. Bei weiteren 30 Prozent der Patienten wurde ein Herzinfarkt vom Typ 2 festgestellt, der durch Sauerstoffmangel im Herzen ausgelöst wird, bei dem sich aber keine Blutgerinnsel oder Gefäßverengungen bilden.
Troponin-Grenzwert kann bei der Therapie-Entscheidung helfen
Die PRAISE-Studie ermittelte außerdem, dass ein um mehr als fünffach erhöhter Troponin-Wert mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Herzinfarkt vom Typ 1 anzeigt. „Das ist eine relevante Erkenntnis“, so Christian Nolte, „der neue Grenzwert kann helfen zu entscheiden, welche Patienten mit Schlaganfall eine Koronarangiographie erhalten sollten“. Liegt ein Gefäßverschluss oder eine kritische Verengung der Herzkranzgefäße vor, kann ein Stent eingesetzt werden. Damit verbindet sich die Hoffnung, die Prognose für Betroffene zu verbessern und ihre Sterblichkeitsrate zu senken.
Behandlungsstudie geplant
Die Studie war ein erster Schritt dorthin. „PRAISE ist eine diagnostische Studie, um den Mechanismus der Herzschädigung besser zu verstehen“, betont Endres. „Als Nächstes wollen wir nun mit einer Behandlungsstudie untersuchen, ob wir die Prognose von Schlaganfallpatienten mit fünffach erhöhten Troponinwerten mithilfe eines Herzkatheters und der entsprechenden Behandlung verbessern können.“ Erst dann ließen sich verbindliche Empfehlungen für die klinische Praxis formulieren.
Original publication
Type 1 Myocardial Infarction in Patients With Acute Ischemic Stroke, Nolte et al.
JAMA Neurology (2024).
DOI: 10.1001/jamaneurol.2024.1552
Juni 2024