Neuer Ansatz gegen FTD im Labor getestet
Veröffentlichung in „Science Translational Medicine“
Forschende aus München und den USA erproben in Laborexperimenten ein neuartiges Verfahren zur Behandlung einer Variante der Frontotemporalen Demenz, die durch den genetisch bedingten Mangel des Eiweißstoffes „Progranulin“ verursacht wird.
Die Frontotemporale Demenz (FTD) ist eine bislang unheilbare Hirnerkrankung, bei der es neben Gedächtnisverlust auch zu Sprachstörungen und Veränderungen der Persönlichkeit kommt. Zu den möglichen Ursachen zählt ein erblich bedingter Mangel des Eiweißstoffes „Progranulin“. Darunter leidet das zelluläre Entsorgungssystem, wodurch sich im Gehirn giftige Substanzen ansammeln. Das führt zur Entzündung des Gehirns, Nervenzelltod und damit verbundenen massiven Funktionsstörungen des Nervensystems. Forschende der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und des DZNE haben in enger Zusammenarbeit mit dem US-Unternehmen Denali Therapeutics nun einen Ansatz entwickelt, der es ermöglicht, das fehlende Protein im Gehirn zu ersetzen.
„Hierzu haben wir Progranulin in das Erbgut eines Virus eingebaut“, erklärt Dr. Anja Capell, Leitende Wissenschaftlerin am Biomedizinischen Centrum der LMU. Im Anschluss spritzte das Team die so modifizierten Viren in die Blutbahn von Mäusen, die einen erblich bedingten Mangel an Progranulin aufwiesen. „Der Virus befiel gezielt Leberzellen, die dann Progranulin in großen Mengen produzieren und in das Blut abgeben.“ Damit wird die Injektion von Viren direkt ins Gehirn umgangen, was mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sein könnte. Damit diese Lösung funktionierte, mussten die Forschenden einen Trick anwenden, um die Bluthirnschranke zu überwinden. Dieses Gewebe blockiert normalerweise den Austausch von Biomolekülen zwischen Blut und Gehirn: Ein spezielles Transportermolekül („Gehirn-Shuttle“), das von Denali Therapeutics entwickelt wurde, ermöglicht die sehr effektive Beförderung über diese Barriere.
Tests mit Stammzellen
„Nach einmaliger Verabreichung des Virus haben wir dann überprüft, ob dadurch die Krankheitsmerkmale zurückgehen“, sagt Prof. Dominik Paquet vom Institut für Schlaganfall und Demenzforschung der LMU und Mitglied im Exzellenzcluster SyNergy. Tatsächlich ließen sich Defizite im Proteinabbau, die Ablagerung giftiger Proteine, eine Entzündung des Gehirns, Bewegungsstörungen und der Tod von Nervenzellen massiv reduzieren. „Daraufhin haben wir in Stammzellmodellen überprüft, ob sich dieser Ansatz auf den Menschen übertragen lässt.“ Auch in diesen Labortests konnten die Merkmale der Erkrankung deutlich verringert werden.
„Solche umfangreichen multidisziplinären Arbeiten sind nur im Team möglich. Ich freue mich, dass unser Exzellenzcluster SyNergy uns hierzu einmalige Möglichkeiten bietet“, meint Prof. Christian Haass vom Biomedizinischen Centrum der LMU, Sprecher von SyNergy und Forschungsgruppenleiter am DZNE. „Gleichzeitig zeigt diese Arbeit auch, wie wichtig es ist, dass wir die Zusammenarbeit mit führenden Biotech-Firmen intensivieren, um unsere Forschung möglichst schnell zugunsten der Patienten in die Anwendung bringen zu können.“
Originalveröffentlichung
Rescue of FTLD-associated TDP-43 pathology and neurodegeneration bym peripheral AAV-mediated expression of brain-penetrant progranulin.
Marvin Reich et al.
Science Translational Medicine (2024)
DOI: 10.1126/scitranslmed.adj7308
Juni 2024