Rund 1,5 Millionen Euro für die Erforschung der Auswirkungen von „Ewigkeitschemikalien“ auf das Immunsystem

ERC vergibt einen „Starting Grant“ an Bonner Forscher

Dr. Lorenzo Bonaguro, Wissenschaftler am DZNE-Standort Bonn, hat vom Europäischen Forschungsrat (ERC) einen Starting Grant in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro erhalten, um den Einfluss der allgegenwärtigen PFAS-Chemikalien auf das Immunsystem zu untersuchen. Für seine Forschung nutzt er sogenannte Organoide und modernste Analysemethoden.

Seit den 1950er Jahren wurden tausende verschiedener Substanzen aus der Kategorie der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) entwickelt. Aufgrund ihrer wasser- und fettabweisenden Eigenschaften finden sie in unzähligen Produkten wie Kosmetika, medizinischen Geräten, Kleidung und Antihaftbeschichtungen Verwendung. Neben ihrer chemischen Grundstruktur haben diese Verbindungen noch weiteres gemeinsam: Sie sind nahezu unverwüstlich und werden daher als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet. Angesichts der großen Verbreitung werden ihre Auswirkungen auf den Menschen viel diskutiert. „PFAS wurden im Blut von Menschen nachgewiesen, und es gibt Hinweise darauf, dass eine chronische Exposition selbst in geringen Mengen mit einem Gesundheitsrisiko einhergehen kann, da diese Chemikalien dazu neigen, sich im Organismus anzureichern“, erklärt Dr. Lorenzo Bonaguro, Wissenschaftler im Forschungsbereich „Systemmedizin“ des DZNE. „Deshalb möchte ich untersuchen, wie sich PFAS auf das Immunsystem auswirken, das für die menschliche Gesundheit von entscheidender Bedeutung ist. Ich vermute nämlich, dass diese Chemikalien die Funktion des Immunsystems möglicherweise beeinträchtigen und es daran hindern, angemessen auf Gefahren zu reagieren.“

Niedrige Konzentrationen im Fokus

Bisherige Toxizitätsscreenings haben meist die akuten Auswirkungen hoher PFAS-Konzentrationen untersucht. Vor diesem Hintergrund will der Bonner Wissenschaftler neue Wege gehen. „Meine Forschung wird sich auf die Auswirkungen niedriger, vermeintlich unbedenklicher Konzentrationen über längere Zeiträume konzentrieren. Dieser Aspekt ist noch weitgehend unerforscht. Hier will ich wirklich etwas bewegen. PFAS sind ein viel diskutiertes Thema. Ich möchte dazu beitragen, die aktuellen Kontroversen mit belastbaren Daten zu lösen“, sagt er. „Dieses Projekt kann helfen, die Auswirkungen von PFAS besser zu verstehen und zu bewältigen. Es könnte zudem zu neuen Ansätzen für die Prüfung der biologischen Aktivität niedriger Konzentrationen anderer Schadstoffe beitragen.“

Winzige Gewebeproben

Das Projekt stützt sich auf Untersuchungen an „Organoiden“, die aus „sekundären lymphatischen“ Organen des Menschen – beispielsweise aus dem Gewebe von Mandeln – gewonnen werden, sowie auf Studien an Mäusen. Die Forschungsarbeiten werden von Bonaguro mit einer Handvoll Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt. „Unsere Organoide sind winzige, wenn auch hochkomplexe Gewebekulturen, die wichtige Merkmale des menschlichen Immunsystems nachbilden. Sie ermöglichen es insbesondere, das Verhalten sogenannter B-Zellen und T-Zellen zu untersuchen. Sie sind wesentliche Bestandteile des adaptiven Immunsystems.“ Diese Organoide und auch die Mäuse werden verschiedenen Arten von PFAS ausgesetzt. „Wir werden PFAS-bedingte Veränderungen bis auf die molekulare Ebene erfassen. Dafür nutzen wir fortschrittliche Verfahren wie die Einzelzell-Transkriptomik. Diese Technologie macht es möglich, eine Art molekularen Fingerabdruck der Immunzellen zu erstellen, der den Zustand einzelner Zellen widerspiegelt. Dabei fallen enorme Datenmenge an, die wir mit Hilfe moderner Ansätze aus der Bioinformatik analysieren werden.“

Reaktion auf Antigene

Bonaguro interessiert sich unter anderem dafür, welche Immunzellen am empfindlichsten auf PFAS reagieren und ob diese Chemikalien die Fähigkeit des Immunsystems beeinträchtigen, auf die Stimulation durch Antigene – also durch Fremdstoffe – zu reagieren. Diese Immunantwort ist sowohl für die Wirkung von Impfstoffen als auch für die Abwehr von Krankheitserregern entscheidend. „Wir werden auch mögliche Maßnahmen zur Eindämmung negativer Auswirkungen untersuchen und erforschen, ob langfristige Auswirkungen fortbestehen, nachdem PFAS aus der Umwelt entfernt wurden“, sagt der Wissenschaftler. „Insgesamt wird das Projekt einen umfassenden Überblick über die Folgen der PFAS-Exposition vermitteln. Langfristig, über das aktuelle Projekt hinaus, möchte ich diese Studien auf den Menschen ausweiten.“

 

September 2024

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