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Selten, aber schwerwiegend


Fachleute des DZNE äußern sich zu Seltenen Erkrankungen anlässlich des Aktionstages am 29. Februar 

Eine einzelne „Seltene Erkrankung“ betrifft für sich genommen zwar nur relative wenige Personen. Allerdings gibt es viele verschiedene seltene Erkrankungen (Schätzungen zufolge mehr als 6.000) – die Gesamtzahl der Patientinnen und Patienten ist dementsprechend groß. Allein in Deutschland geht man von rund vier Millionen Betroffenen aus.

In der EU wird im Übrigen eine Erkrankung dann als „selten“ angesehen, wenn von 10.000 Menschen weniger als fünf betroffen sind. Diverse neurodegenerative Erkrankungen gelten daher als „selten“: etwa die Huntington-Erkrankung und die familiäre Form von Alzheimer. Anlässlich des diesjährigen „Tags der Seltenen Erkrankungen“ – hier ein Überblick über einige seltene Erkrankungen des Gehirns und Nervensystems, die am DZNE erforscht werden.

 

ALS - Prof. Dr. Albert Ludolph

Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine seltene neurodegenerative Erkrankung, die Gehirn und Rückenmark erfasst. Erläuterungen dazu von Prof. Albert Ludolph, Sprecher des DZNE-Standorts Ulm und Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie der Universität Ulm.

Welche Bereiche des Nervensystems sind betroffen?
Die ALS ist eine Erkrankung der Willkürmotorik. Es geht also um Bewegungen, die bewusst gesteuert werden. Die Erkrankung führt dazu, dass der Patient beziehungsweise die Patientin sich der Umgebung nicht äußern kann, weder mit Wort, Schrift, Haltung, Mimik oder Gestik. Diese Beeinträchtigung beginnt an einer Stelle des Körpers und breitet sich unaufhaltsam über den gesamten Körper aus. Meist führt die Erkrankung innerhalb weniger Jahre zum Tode.

Welche Bereiche des Nervensystems sind betroffen?
Die Erkrankung schädigt Bereiche des Gehirns und auch des Rückenmarks. Dadurch ist die Willkürmotorik betroffen, das heißt, jede willkürliche Muskelbewegung, außer jene der Augenmuskeln und der Schließmuskeln, wird beeinträchtigt.

Was weiß man über die Ursachen?
Man weiß, dass etwa fünf Prozent der Menschen mit ALS einen sogenannten autosomal dominanten Erbgang in der Familie haben. Das heißt, dass die Hälfte der Nachkommen erkranken. Die zugehörigen Gene sind weitgehend identifiziert, in Deutschland kennt man sie bei 2/3 der Betroffenen, bei 1/3 der Patienten mit familiärer ALS sind die dafür verantwortlichen Gene noch nicht identifiziert. Bei den anderen 95 Prozent, also bei der überwiegenden Mehrheit der Menschen mit ALS, kennt man die Ursachen nur unzureichend. 

Wie wird die Erkrankung diagnostiziert?
Die Krankheit wird allein aufgrund von Anamnese und Befund diagnostiziert. Hilfsmittel sind die Elektromyographie sowie Biomarker im Blut und im Nervenwasser. Bei den Biomarkern geht es vor allem um sogenannte Neurofilamente. Die Neurofilamente sind Überreste von Nervenzellen und somit Indikatoren für Nervenschädigungen.  

Wie viele Patienten gibt es in Deutschland?
In Deutschland gibt es jedes Jahr etwa 2.500 Neuerkrankungen. Aktuell leben hierzulande etwa 8.000 bis 9.000 Menschen mit ALS.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Die Behandlungsmöglichkeiten beschränken sich darauf, die Krankheit zu verzögern. Pharmakologisch steht das Riluzol im Vordergrund, heute werden auch die Medikamente Tofersen und Rasagilin diskutiert. Tofersen hat einen neuartigen Wirkmechanismus auf Ebene der RNA und reduziert das Protein, das aus einer Mutation im sogenannten SOD-Gen resultiert. Allerdings kommt Tofersen nur für die wenigen SOD-Genträger in Betracht. Wichtige Maßnahmen sind zudem die Unterstützung der Beatmung mit nichtinvasiver Heimbeatmung sowie die Sicherung der Ernährung mit dem Ziel, das Gewicht zu halten.

Woran wird geforscht?
Es wird derzeit daran geforscht, mit Medikamenten, die die Genregulation beeinflussen, den Effekt der krankmachenden Gene zu reduzieren. Bisher richtet sich dieser Ansatz aber nur an einen sehr kleinen Teil der Patientinnen und Patienten. Nämlich an jene fünf Prozent, die eine positive Familienanamnese aufweisen. Darüber hinaus gibt es vielfältige therapeutische Ansätze, von denen man hoffen kann, dass sie in der Zukunft Erfolg haben. Konkrete Ansätze sind die Beeinflussung des Fettstoffwechsels sowie die Hemmung des Enzyms Monoaminoxidase B. Dadurch möchte man die Signalübertragung zwischen Nervenzellen unterstützen.

Alzheimer (familiär) - Prof. Dr. Johannes Levin

Alzheimer ist die häufigste degenerative Hirnerkrankung und auch die häufigste Form einer Demenzerkrankung. Insgesamt betrachtet ist Alzheimer keineswegs selten. „Selten“ ist gleichwohl eine spezielle Variante von Alzheimer: die sogenannte „familiäre“ Form. Diese wird durch Mutationen im Erbgut ausgelöst und ist daher vererbbar, weshalb sie innerhalb betroffener Familien gehäuft vorkommt. Die Hintergründe erläutert Prof. Dr. Johannes Levin, Forscher am DZNE und am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er leitet den Münchener Standort von DIAN: ein weltweites Netzwerk zur Untersuchung der erblichen Form von Alzheimer. In Deutschland wird die Studie vom DZNE durchgeführt – mit den beiden Studienzentren München und Tübingen.

Wie äußert sich die erbliche Form der Alzheimer-Erkrankung?
Klinisch genau wie die sporadische Form, also jene Krankheitsvariante, die sich im Allgemeinen erst im höheren Lebensalter bemerkbar macht. Im Vordergrund steht ein langsam fortschreitender Verlust höherer Hirnfunktionen, vor allem des Gedächtnisses aber auch der visuell-räumlichen Fähigkeiten und der Fähigkeiten zur Problemlösung. Im Unterschied zur altersassoziierten Alzheimer-Erkrankung tritt dies jedoch viel früher auf, nämlich im Mittelwert mit 47 Jahren. Außerdem ist natürlich die namensgebende familiäre Häufung charakteristisch. Die Nachkommen eines Patienten mit familiärer Alzheimer-Krankheit haben eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit im Laufe ihres Lebens ebenfalls davon betroffen zu sein.

Wie ist der Verlauf?
Auch der Verlauf ähnelt der altersassoziierten Form der Alzheimer-Krankheit sehr stark. Die mittlere Überlebensdauer beträgt 8 bis 10 Jahre. Damit ist der Verlauf der Alzheimer-Krankheit hinsichtlich der Überlebenszeit durchaus vergleichbar mit vielen Krebserkrankungen. Im Unterschied zu Krebs ist der Krankheitsverlauf jedoch weniger von guten und schlechten Phasen gekennzeichnet. Es kommt vielmehr zu einer anhaltenden schleichenden Verschlechterung der geistigen Leistungsfähigkeit, in deren Verlauf die Unabhängigkeit verloren geht. Auguste D., die erste Person, bei der eine Alzheimer-Erkrankung diagnostiziert wurde, sagte seinerzeit: „ich habe mich selbst verloren“.

Welche Bereiche des Nervensystems sind betroffen?
Im Verlauf der Erkrankung ist praktisch das gesamte Großhirn betroffen. Früh in der Erkrankung findet man jedoch, wie auch bei der altersassoziierten Alzheimer-Krankheit, krankhafte Veränderungen im mittleren Bereich des Schläfenlappens beziehungsweise „Temporallappens“ und im sogenannten Scheitellappen.

Was weiß man über die Ursachen?
Es sind aktuell drei Gene bekannt, in denen Veränderungen zur erblichen Form der Alzheimer-Erkrankung führen. Dabei handelt es sich einerseits um das sogenannte APP-Gen. Dieses liefert den Bauplan für das Amyloid-Vorläuferprotein, aus dem letztlich die Alzheimer-typischen Ablagerungen im Gewebe entstehen. Das sind die berüchtigten Alzheimer-Plaques. Die anderen beiden Gene sind für zwei Enzyme verantwortlich, die eben dieses Protein zerschneiden Die Konsequenz der genetischen Veränderungen ist immer die gleiche: Plaques werden verstärkt gebildet, entweder, weil zu viel Amyloid-Vorläuferprotein vorhanden ist, oder weil es falsch geschnitten wird. Dieser Mechanismus ist im Übrigen auch die Ursache dafür, dass Menschen mit einem Down-Syndrom ein extrem hohes Risiko haben, an Demenz zu erkranken. Denn ihr Erbgut enthält das Chromosom 21 in dreifacher Ausführung, statt wie gewöhnlich in zweifacher Kopie. Weil das APP-Gen auf Chromosom 21 vorliegt, produziert ihr Körper zu viel Amyloid-Vorläuferprotein.

Wie wird die Erkrankung diagnostiziert?
Die Diagnose erfolgt wie beim altersassoziierten Alzheimer anhand der klinischen Anzeichen der Erkrankung. In der Regel ist es sinnvoll, neuropsychologische Untersuchungen durchzuführen, um das Gedächtnis und andere kognitive Fähigkeiten zu testen. Außerdem sollte eine Ausschlussdiagnostik gemacht werden, um Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen auszuschließen. Dafür sind in aller Regel Untersuchungen des Gehirns mittels Magnetresonanztomographie und eine Blut-Analyse notwendig. Alzheimer-spezifische Biomarker können ebenfalls einen Beitrag zur Diagnose leisten. Solche Biomarker lassen sich im Nervenwasser messen oder im Gehirn mit Hilfe nuklearmedizinischer Bildgebung. Im besonderen Fall der erblichen Alzheimer-Krankheit kann das Erkrankungsrisiko mit einem Gentest untersucht werden.

Wie unterscheidet sich die erbliche Form der Alzheimer-Erkrankung von der weitaus häufigeren „spontanen“ Variante?
Im Wesentlichen durch die familiäre Häufung und den frühen Krankheitsbeginn. Sonst sind die Erkrankungen sehr ähnlich.

Wie viele Patienten gibt es in Deutschland?
Das ist schwer zu sagen, da es mit Sicherheit eine große Dunkelziffer gibt. Die beiden DIAN-Standorte in Deutschland, Tübingen und München, haben Kontakt zu etwas mehr als 100 Patienten und Risikopersonen, also klinisch gesunden Mitgliedern von „Alzheimer-Familien“, die jeweils ein individuelles Risiko von 50 Prozent haben, Genträger zu sein. Grundsätzlich geht man davon aus, dass weniger als ein Prozent der Alzheimer-Erkrankungen auf die familiäre Form zurückgeht.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Aktuell sind in Europa noch keine Medikamente zugelassen, die den Verlauf der Krankheit aufhalten könnten. So eine Therapie wird dringend benötigt. In den USA sind bereits zwei Medikamente zugelassen, für die gezeigt werden konnte, dass sie die Alzheimer-Plaques im Gehirn deutlich reduzieren können. Zumindest für eines dieser Medikamente ist auch eine klinische Wirksamkeit in Form einer Verlangsamung des Krankheitsverlaufs klar gezeigt. Für dieses Medikament läuft ein Zulassungsverfahren in Europa, dessen Ergebnis in wenigen Monaten erwartet wird. Im vergangenen Sommer wurden zudem Daten eines weiteren Medikaments veröffentlicht, in denen sich ein klinischer Effekt mit Zusammenhang mit den Einflüssen des Medikaments auf die Alzheimer Plaques zeigt.

Die aktuell zugelassenen rein symptomatisch wirksamen Medikamente, haben keine verzögernde Wirkung auf den Nervenzellverlust und sind auch insgesamt nur begrenzt wirksam. Ihre Wirkungsweise zielt darauf hin, die Krankheitssymptome zu lindern. Nach meiner Meinung ist es aktuell am bedeutsamsten, über eine gute psychosoziale Unterstützung die Krankheitsfolgen so gut es geht, zu lindern. Zusammengefasst ist trotz aktueller Erfolgte weiter dringend Forschung zur Entwicklung einer noch effizienteren kausal wirksamen Therapie notwendig.

Woran wird geforscht?
Der internationale Forschungsverbund DIAN, an dem das DZNE mitwirkt, hat zwei wesentliche Ziele: Einerseits geht es darum, den Verlauf insbesondere der familiären Alzheimer-Erkrankung so gut es geht, zu verstehen. Dafür müssen Biomarker identifiziert werden, mit denen man den Krankheitsverlauf präzise verfolgen kann. Solche Biomarker sind erforderlich, um überprüfen zu können, ob neuartige Behandlungsmethoden eine Wirkung haben. Das DZNE hat im Rahmen von DIAN einen Bluttest entwickelt, der genau dafür sehr hilfreich sein könnte. Das könnte den Weg für neue Therapien bereiten.

Das zweite Ziel von DIAN gilt der eigentlichen Therapie-Entwicklung. Aktuell wird die Strategie verfolgt, mit speziellen Antikörpern, die Alzheimer-Plaques aus den Gehirnen der Patienten zu entfernen und gleichzeitig die zweite Komponente der Alzheimer Pathologie, das tau Protein zu adressieren. Besonders ist an der Arbeit mit Patienten mit der familiären Form der Alzheimer-Erkrankung ist, dass die Mutationsträger die Krankheit quasi unweigerlich entwickeln. Aufgrund dieser Konstellation lässt sich nicht nur die Verlangsamung des Krankheitsverlaufs, sondern auch die Verzögerung des Ausbruchs untersuchen.

Ich gehe davon aus, dass wie bei vielen Infektionserkrankungen eine Kombinationstherapie notwendig sein wird, um die Krankheit wirklich effizient zu behandeln. Dabei könnten auch weitere krankheitsbedingte Prozesse, wie zum Beispiel Entzündungsprozesse interessant sein. Ich persönlich halte Wirkstoffe mit niedriger Molekülmasse für sehr vielversprechend. Hier gibt es derzeit interessante Entwicklungen. Bis zur etwaigen Zulassung ist es hier aber sicher noch ein weiter Weg.

Ataxie - Prof. Dr. Thomas Klockgether

„Ataxien“ nennt man eine Gruppe von Erkrankungen des Gehirns und Rückenmarks, die mit Bewegungsstörungen einhergehen. Was ist über diese seltenen Erkrankungen bekannt? Erläuterungen dazu von Prof. Thomas Klockgether, Direktor der Klinischen Forschung des DZNE und beteiligt am „Zentrum für Seltene Erkrankungen“ des Bonner Universitätsklinikums.

Wie äußert sich eine Ataxie?
Ataxien äußern sich durch motorische Störungen wie zum Beispiel Gangunsicherheit und die Tendenz zu Stürzen. Die Handschrift wird undeutlich, das Greifen und Halten, etwa von Essbesteck, fällt schwer. Aber auch die Sprache der Patientinnen und Patienten kann beeinflusst werden: Sie wird undeutlich und verwaschen. 

Welche Bereiche des Nervensystems sind betroffen? 
Ataxien entstehen durch Schäden am Kleinhirn und Rückenmark, die für die Koordination und Ausführung von Bewegungen zuständig sind. 

Was weiß man über die Ursachen?
Ataxien sind eine sehr heterogene Krankheitsgruppe. Es gibt nicht nur „die eine“ Ataxie. Sie haben entweder eine genetische, also erbliche, angeborene Ursache, oder sie wurden erworben, sind also nicht erblich bedingt. Bei den erblich bedingten Ataxien gibt es mindestens 200 verschiedene Genmutationen, welche die Erkrankung verursachen. Erworbene Ataxien entstehen irgendwann im Lauf des Lebens durch endogene oder exogene Einflüsse – das können zum Beispiel Gifte sein, Fehlernährung und Vitaminmangel oder Immunmechanismen, ähnlich wie bei einer immunvermittelten Enzephalitis, also Gehirnentzündung. Bei den genetischen Ataxien ist die Friedreich-Ataxie am häufigsten. Sie beginnt in der Kindheit beziehungsweise Pubertät. Das ist eine rezessiv vererbte Krankheit: Die Eltern sind gesund, und auf einmal fällt das Kind im Alter von 8 oder 9 Jahren beim Schulsport vom Barren – und die Eltern wissen erst mal nicht, woran das liegt. Wir erforschen die Friedreich-Ataxie in klinischen Studien.

Wie wird die Erkrankung diagnostiziert?
Die Diagnose erfolgt durch Anamnese und klinische Untersuchungen. Besonderer Stellenwert kommt dabei einer genauen und umfassenden Familienanamnese zu, da ähnliche Bewegungsstörungen bei Verwandten auf eine genetische Ataxie hinweisen. Außerdem kommen bildgebende Verfahren wie Magnetresonanz-Tomographie zum Einsatz, Labordiagnostik und molekulargenetische Untersuchungen.

Wie viele Patienten gibt es in Deutschland?
Rund 16.000 Menschen in Deutschland leiden an Ataxien.

Wodurch unterscheidet sich eine Ataxie von der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) und Parkinson, die ja auch mit Bewegungsstörungen einhergehen?
Von der Parkinson-Krankheit und der ALS unterscheiden sich Ataxien dadurch, dass bei Ataxien Koordinationsstörungen im Vordergrund stehen, während es bei Parkinson zu einer Verlangsamung der Bewegungen und Muskelsteifigkeit kommt und bei ALS zu vollständigen Lähmungen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Momentan sind Ataxien noch nicht medikamentös behandelbar. Regelmäßige Physiotherapie mit aktiven Übungen zur Förderung der Koordination kann die Symptome aber dauerhaft lindern. Bei den genetisch bedingten Ataxien liegt die Hoffnung jetzt insbesondere bei neuen Behandlungen, die direkt an der DNA oder der RNA angreifen. Konkret sind das Gentherapie-Ansätze, zum Beispiel mit sogenannten Antisense-Oligonukleotiden. Das sind kurzkettige Moleküle, die sich an die Genmutation anlagern und die Umsetzung der darin enthaltenen krankmachenden Information blockieren.

Woran wird geforscht? Welche neuen Ansätze werden untersucht?
Unser Forschungsschwerpunkt liegt bei dominant vererbten Ataxien, die von einer Generation an die nächste vererbt werden. Die Patienten wissen häufig, dass die Krankheit in der Familie vorkommt, in jeder Generation ─ wie ein Familienschicksal. Unter diesen Ataxien ist die Spinozerebelläre Ataxie Typ 3 am häufigsten. Sie wird auch Machado-Joseph-Krankheit genannt und beginnt üblicherweise zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Die Lebenserwartung beträgt ab diesem Zeitpunkt dann nur noch 20 bis 25 Jahre, die Betroffenen sterben daran. Am DZNE führen wir seit längerer Zeit große klinische Beobachtungsstudien durch, die für Behandlungsstudien wichtige Grundlagen liefern. Und wir sind an solchen Behandlungsstudien auch direkt beteiligt. Im Übrigen suchen wir auch immer wieder gesunde Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Kontrollgruppe (DANCER) für unsere Studien. Deren Engagement ist für die Entwicklung neuer Therapien enorm wichtig.

FTD - Prof. Dr. Anja Schneider

Die Frontotemporale Demenz (FTD) zählt zu den seltenen Demenzerkrankungen. Information dazu von Prof. Anja Schneider. Sie leitet die Forschungsgruppe „Translationale Demenzforschung“ am DZNE-Standort Bonn und eine bundesweite Studie zur FTD. Überdies ist sie Direktorin der Klinik für Neurodegenerative Erkrankungen und Gerontopsychiatrie am Universitätsklinikum Bonn.

Wie äußert sich die Frontotemporale Demenz?
Frontotemporale Demenz ist ein Oberbegriff für eine Gruppe von Erkrankungen mit teils überlappenden Symptomen. Insofern handelt sich es weniger um eine einzelne, spezifische Erkrankung als vielmehr um ein Spektrum an Erkrankungen. Grob unterscheiden kann man zwischen einer Verhaltensvariante der FTD und einer Sprachvariante. Es gibt aber auch Mischformen. Je nach Definition gehören auch atypische Parkinson-Syndrome und die Amyotrophe Lateralsklerose als Erkrankung der Motoneurone dazu. Bei der Sprachvariante treten sprachbezogene Störungen auf, bei der Verhaltensvariante kommt es zu Verhaltensänderungen. Es gibt davon zwei Ausprägungen, enthemmt oder inhibiert, die aber auch gemischt auftreten können. Häufig kommt es zum Verlust von Umgangsformen, sozial nicht angemessenem Verhalten, Gefühlskälte, dem Bestehen auf Ritualen, repetitiven Verhaltensweisen, Veränderungen des Essverhaltens, aber auch zu Interessensverlust und Antriebsmangel. Erst später im Verlauf können auch Gedächtnisstörungen hinzukommen.

Welche Bereiche des Nervensystems sind betroffen?
Es kommt zu einem fortschreitenden Verlust von Nervenzellen im Stirn- und Schläfen-Lappen des Gehirns.

Was weiß man über die Ursachen?
Ein Teil der Frontotemporalen Demenzen ist genetisch bedingt. Hauptsächlich geht es dabei um Mutationen in den Erbanlagen des Tau-Proteins, des Progranulin-Proteins oder um Veränderungen im Gen des Proteins C9orf72. Grundsätzlich beobachtet man bei den verschiedenen Erkrankungen des FTD-Spektrums unterschiedliche molekulare Pathologien: Bei der Verhaltensvariante ist das am häufigsten eine Pathologie des Proteins Tau beziehungsweise des Proteins TDP43, die letztlich zum neuronalen Funktionsverlust und Absterben der Nervenzellen führen. 

Wie wird die Erkrankung diagnostiziert? 
Durch eine Kombination aus Verhaltensbeobachtungen, der Befragung von Angehörigen, neurologischen Untersuchungen, MRT-Bildgebung des Gehirns und Untersuchungen des Liquors, also des sogenannten Nervenwassers. Auch ein PET-Scan, also eine Untersuchung mittels Positronen-Emissions-Tomographie, kann wichtige Hinweise liefern. Die PET-Untersuchung wird von den gesetzlichen Krankenkassen allerdings nicht vergütet.

Wie viele Patienten gibt es in Deutschland? 
Ca. 33.000 Betroffene, je nach Definition, da es sich bei FTD um einen Überbegriff für verschiedene Erkrankungen handelt. Häufig ist nur die Verhaltensvariante gemeint. Zum Spektrum der FTD-Erkrankungen gehören aber auch die beiden Subformen der Sprachvariante, man nennt sie auch „Primär Progressive Aphasien“. Und je nach Definition werden auch die Progressive Supranukleäre Blickparese und die Amyotrophe Lateralsklerose dazugezählt. 

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? 
Leider gibt es noch keine Therapie, man kann lediglich die herausfordernden Verhaltensweisen mit Psychopharmaka behandeln und bei den Sprachvarianten versuchen, mit Sprachtherapie zu unterstützen. Mehrere Pharmaunternehmen bereiten gerade experimentelle Therapiestudien vor. Die Wirkstoffe sollen die Ursachen der Erkrankung bekämpfen. 

Woran wird geforscht? 
Am DZNE werden zum einen die molekularen Ursachen der FTD in Zellkultur und sogenannten Mausmodellen untersucht, zum anderen werden Biomarker für die Diagnostik der Erkrankung erforscht. Denn zurzeit ist es noch nicht möglich, die genaue molekulare Ursache – Tau oder TDP43 –  bei einem individuellen Patienten festzustellen, sofern keine vererbte Form vorliegt. Diese Einordnung ist aber wichtig, um Patienten passenden experimentellen Therapiestudien zuordnen zu können. Außerdem betreibt die klinische Forschung am DZNE eine große Beobachtungsstudie (DESCRIBE-FTD). Patienten, Verwandte und gesunde Kontrollpersonen werden dabei längsschnittlich, also über einen längeren Zeitraum untersucht. Ziel ist es, in Zusammenarbeit mit Arbeitsgruppen aus der Grundlagenforschung neue diagnostische Marker und genetische Ursachen zu identifizieren und Erkenntnisse über den Krankheitsverlauf zu gewinnen. Letztlich geht es darum, neue Therapien zu entwickeln und zu testen. Zudem beschäftigt sich die Versorgungsforschung am DZNE mit der Lebensqualität und Versorgungslücken von Betroffenen und Angehörigen.

Huntington - Priv.-Doz. Dr. Patrick Weydt

Die Huntington-Erkrankung ist nach dem US-amerikanischen Arzt George Huntington (1850 – 1916) benannt. Es handelt sich um eine erblich bedingte und bislang unheilbare Nervenerkrankung. Erläuterungen dazu von Priv.-Doz Dr. Patrick Weydt, DZNE-Forscher am Standort Bonn und Leiter der Ambulanz für Motoneuronerkrankungen am Universitätsklinikum Bonn.

Wie äußert sich die Huntington-Erkrankung?
Die Huntington Krankheit ist durch eine Kombination aus tanzartiger Überbeweglichkeit (Chorea), Abbau der geistigen Leitungsfähigkeit (Demenz) und ein breites Spektrum von psychischen Veränderungen (Depression, Zwangsstörungen, Apathie, Reizbbarkeit…) gekennzeichnet. Diese Symptome treten in keiner besonderen Reihenfolge und machen sich meist im mittleren Lebbensalter bemerkbar.

Welche Bereiche des Nervensystems sind betroffen?
Am stärksten ist eine Region betroffen, die Basalganglien genannt wird und recht tief unter der Hirnrinde liegt.

Was weiß man über die Ursachen?
Die Ursache ist genau bekannt: es handelt sich um die abnorme Verlängerung eines sogenannten (CAG)-Wiederholungstraktes im Huntingtin-Gen. Jeder Mensch trägt dieses Gen in seiner Erbinformation, nur bei Huntington Patienten ist es durch die Verlängerung abnorm verändert. Direkte Nachkommen von Huntington Patienten haben ein 50-prozentiges Risiko, die Veränderung geerbt zu haben.

Wie wird die Erkrankung diagnostiziert?
Mit einem genetischen Test kann man feststellen, ob die Huntington-Mutation bei einem Menschen vorliegt. Ob die Krankheitssymptome ausgebrochen sind, zeigt die neurologische Untersuchung. Mit Zusatzuntersuchungen, wie Magnetresonanz-Tomografie und Liquor-Untersuchungen kann man schon Jahre vor Ausbruch der Symptome Veränderungen im Gehirn feststellen.

Wie viele Patienten gibt es in Deutschland?
Man geht davon aus, dass es in Deutschland etwa 8.000 Patienten gibt. Noch einmal doppelt so viele Personen sind sogenannte Risikoträger, das heißt, sie haben eine 50-prozentige Chance die Huntington-Mutation von einem Elternteil geerbt zu haben.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Obwohl die Ursache genau bekannt ist, gibt es zur Zeit noch keine Möglichkeit, die Genveränderung zu korrigieren und die Krankheit ist unheilbar. Viele der Symptome lassen sich aber mit Medikamenten, Physiotherapie und Logopädie etwas abmildern. Trotzdem ist die Huntington-Krankheit in ihrem Verlauf unerbittlich fortschreitend und mit viel Leid für die Patienten und Angehörigen verbunden. Daher ist eine gute Betreuung besonders wichtig.

Woran wird geforscht?
Weil die Ursache so gut bekannt ist, gilt die Huntington Krankheit als „heilbarste unter den unheilbaren Erkrankungen“. Ein wichtiger Fokus der Forschung zielt darauf ab mit modernsten Methoden die Huntington-Mutation stummzuschalten. Diese Versuche sind schon so weit fortgeschritten, dass sie in klinischen Studien am Menschen erprobt werden können. Diese klinischen Studien sind sehr aufwendig, machen aber viel Hoffnung, obwohl wenn es in den letzten Jahren auch schwere Rückschläge gegeben hat.

Kinderdemenz - Prof. Dr. Jutta Gärtner

Demenz-Erkrankungen machen sich zumeist erst im späteren Erwachsenenalter bemerkbar – wie beispielsweise Alzheimer. Allerdings können degenerative Hirnerkrankungen auch in jungen Jahren auftreten. Mehr als 250 verschiedene Erkrankungen sind mittlerweile bekannt, die die kognitiven Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen. Diese Erkrankungen sind selten, doch ihre Auswirkungen sind schwerwiegend. Einblicke dazu von Prof. Dr. Jutta Gärtner. Sie forscht am DZNE-Standort Göttingen über neurodegenerative Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter und ist Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Göttingen.

Wie äußert sich eine Kinderdemenz? Wie ist der Verlauf?
Die meisten von uns bringen eine Demenz mit Alzheimer oder Parkinson in Verbindung, häufige Erkrankungen, die für das fortgeschrittene Erwachsenenalter charakteristisch sind. Diese sogenannten neurodegenerativen Erkrankungen beschränken sich jedoch nicht auf Erwachsene. Es gibt eine Vielzahl seltener bis sehr seltener erblicher neurodegenerativer Erkrankungen, die sich bereits im Kindes- oder Jugendalter manifestieren. In den meisten Fällen entwickeln sich die betroffenen Kinder anfangs völlig unauffällig und scheinen gesund. Abhängig von der jeweiligen Erkrankung kommt es dann aber zu einem plötzlichen oder schleichenden, unaufhaltsamen Verlust bereits erworbener motorischer und kognitiver Fähigkeiten, Seh- und Hörstörungen sowie zerebraler Krampfanfälle. Die Erkrankungen verlaufen progredient und führen meist in den ersten beiden Lebensjahrzehnten zum Tod.

Welche Bereiche des Nervensystems sind betroffen?
Oftmals sind es vor allem die Nerven- oder Gliazellen im zentralen Nervensystem, die im Zuge der Erkrankung zugrunde gehen. Aufgrund unterschiedlicher genetischer Ursachen unterscheiden sich die Erkrankungen aber hinsichtlich der betroffenen Zelltypen und Hirnbereiche und damit auch in Bezug auf die klinische Symptomatik und den Krankheitsverlauf. Ebenso wichtig ist das Alter, wenn die Symptome erstmals auftreten, und damit der unterschiedliche Entwicklungsstand des Gehirns. In der Regel gilt: Je früher eine neurodegenerative Krankheit beginnt, desto schneller schreitet diese voran.

Was weiß man über die Ursachen?
Ursächlich für Kinderdemenzen sind oftmals monogenetische Erkrankungen des Gehirnstoffwechsels.  Diese werden durch pathologische Mutationen in einzelnen Genen verursacht, die zumeist autosomal-rezessiv vererbt werden. Krankheitsverursachende Mutationen führen dabei zu Funktionsausfällen bestimmter Enzyme oder Transporter, die an spezifischen Stoffwechselwegen im zentralen Nervensystem beteiligt sind. Als Folge fehlen wichtige Bausteine für den Aufbau oder den Erhalt der betroffenen Zellen oder schädliche Stoffwechselprodukte können nicht mehr abgebaut werden. Diese Prozesse stören erst die Zellfunktion, führen dann zum Untergang der Zellen und schließlich zu irreversiblen Hirnschäden.

Wie erfolgt die Diagnose?
Aufgrund der Seltenheit der einzelnen Erkrankungen und der gerade anfangs oft unspezifischen klinischen Symptomatik vergeht oft viel Zeit, bis die Diagnose gestellt wird. Wichtiger Hinweis auf das Vorliegen einer schwerwiegenden neurodegenerativen Erkrankung ist die Kombination aus Verlust bereits erworbener kognitiver und motorischer Fähigkeiten, Seh- und/oder Hörverlust und Krampfanfällen. Der Ausbruch der Erkrankung und das zeitliche Auftreten beziehungsweise die Reihenfolge, mit der die Symptome beobachtet werden können, sind variabel und hängen von der jeweiligen Erkrankung ab. Nachweisen lassen sich bestimmte Erkrankungen über krankheitsspezifische Stoffwechselprodukte in Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin oder Rückenmarksflüssigkeit, über eine spezifische enzymatische Aktivität in Körperzellen oder durch den molekulargenetischen Nachweis einer krankheitsverursachenden Genveränderung.

Wie viele Patienten gibt es in Deutschland?
Genaue Fallzahlen lassen sich kaum angeben, derzeit sind mehr als 250 kindliche neurodegenerative Erkrankungen bekannt, die alle zu den seltenen Erkrankungen, den sogenannten Orphan diseases gehören. Manche der kindlichen neurodegenerativen Erkrankungen sind so selten, dass weltweit nur wenige Dutzend Patienten beschrieben sind. Durch die Erfolge der Biotechnologie werden jedoch fortlaufend neue kindliche neurodegenerative Erkrankungen entdeckt. Dazu kommt, dass im Zuge moderner molekulargenetischer Diagnoseverfahren mittlerweile mehr und mehr Patientinnen und Patienten mit ungewöhnlichen Verläufen und Symptomkombinationen identifiziert werden.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Meist mangelt es an wirksamen Therapieoptionen, sodass die Behandlung rein symptomatisch erfolgen muss. Da unterschiedliche Gene und damit unterschiedliche zelluläre Mechanismen betroffen sind, ist es auch nicht möglich, eine einzige Therapie zu entwickeln, der bei sämtlichen Formen der Kinderdemenz eingesetzt werden kann. Für einige wenige dieser schwerwiegenden kindlichen neurodegenerativen Erkrankungen konnten jedoch bereits wirkungsvolle Therapieansätze etabliert werden. Hierzu zählen Ersatztherapien, bei denen den Patienten das fehlende Enzym oder eine fehlende Stoffwechselkomponente regelmäßig von außen zugeführt werden. Bei manchen Erkrankungen in frühen Stadien zeigen auch Stammzelltransplantationen und Gentherapien einen positiven Effekt auf den Krankheitsverlauf. Auch das Drug Repurposing ist ein vielversprechender Ansatz, der beispielsweise bei Patienten mit zerebraler Folatdefizienz, bei Patienten mit mütterlich vererbtem Leigh Syndrom (MILS) mit Mutationen im mitochondrialen MT-ATP6 Gen und bei Patienten mit Multipler Sulfatase-Defizienz bereits hoffnungsvolle Ergebnisse gezeigt hat.

Woran wird geforscht? Welche neuen Ansätze werden untersucht?
Die entscheidende Forschungs- und Behandlungsstrategie sind eine frühe Diagnose und eine frühe Therapie. Schwerpunkte unserer Arbeit sind umfangreiche Drug Repurposing-Analysen. Innerhalb der Gruppe der bekannten Arzneimittel und Compounds versuchen wir diejenigen zu identifizieren, die auch bei kindlichen neurodegenerativen Erkrankungen eine positive Wirkung auf die Zellpathologie und -funktion haben. Darüber hinaus nutzen wir sogenannte Metabolom-Studien, um Biomarker zu identifizieren, die für eine frühe Diagnosestellung sowie für die Vorhersage des individuellen Krankheitsverlaufs und die Beurteilung der therapeutischen Wirkung neuer Targets eingesetzt werden können.

Podcast mit Prof. Gärtner „Kinderdemenz - Wenn Kinder plötzlich geistig abbauen"

Hinweis: Beim oben genannten “Drug Repurposing“ (deutsch: „Medikamenten-Umnutzung“) geht es darum, dass bisherige Anwendungsspektrum schon vorliegender Medikamente auf andere Erkrankungen auszudehnen.

Parkinson (familiär) - Prof. Dr. Thomas Gasser

Insgesamt betrachtet gilt Morbus Parkinson als die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung nach Alzheimer. Die überwiegende Mehrzahl der Krankheitsfälle tritt „sporadisch“ auf - man sagt auch „idiopathisch“, was so viel bedeutet wie „ohne erkennbare Ursache“. Ein kleiner Teil der Parkinson-Erkrankungen ist allerdings genetisch bedingt (man spricht auch von der „familiären“ bzw. der „erblichen“ Form). Was weiß man über diese spezielle, seltene Variante von Parkinson? Antworten dazu von Prof. Dr. Thomas Gasser, Leiter der Klinischen Forschung am DZNE-Standort Tübingen:

Wie äußert sich die erbliche Form der Parkinson-Erkrankung?
Die Symptome sind bei der Parkinson-Erkrankung sehr heterogen, kein Patient gleicht vollkommen dem anderen. Das gilt für sporadische und genetische Formen. Zu den bekanntesten und im fortgeschrittenen Stadium sichtbar werdenden Symptomen gehören Bewegungsstörungen: Ein vornüber gebeugter Gang, Muskelversteifungen, kleine langsame Schritte, Ruhetremor, Stürze, reduzierte Mimik oder eine kleiner werdende Handschrift. Im Frühstadium der Erkrankung hingegen können Depressionen, Schlafstörungen, Verstopfung, Störungen des Geruchssinns, eine leisere, monotone Stimme, das fehlende Mitschwingen eines Armes beim Gehen oder Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich auftreten.

Wie ist der Verlauf?
Das ist unterschiedlich: Je nach Gen kann der Verlauf milder oder schwerer sein als bei dem Durchschnitt der sporadischen Parkinson-Erkrankung. Grundsätzlich ist Parkinson eine fortschreitende Erkrankung, deren Verlauf beim einzelnen Patienten nicht sicher vorausgesagt werden kann.

Welche Bereiche des Nervensystems sind betroffen?
Immer betroffen sind die dopaminproduzierenden Zellen des Hirnstamms, der an der Koordination unserer Bewegungen beteiligt ist: Im Gehirn gibt es die sogenannte Substantia Nigra, die „Schwarze Substanz“. Das ist eine kleine, dunkelfarbige Ansammlung von etwa 400.000 Zellkernen. In der Substantia Nigra wird bei gesunden Menschen Dopamin gebildet, ein Botenstoff, der eine wichtige Rolle für Bewegungen und Koordination spielt. Bei Parkinson-Betroffenen ist sie zerstört, sodass ihnen Dopamin fehlt, was dann zu den Parkinson-typischen Bewegungsstörungen führt. Darüber hinaus können auch andere Bereiche betroffen sein, abhängig vom Gen und individueller Variante.

Was weiß man über die Ursachen?
Bei den genetischen Parkinson-Formen sind es Mutationen, also Veränderungen der Erbinformation, die in einer ganzen Reihe von verschiedenen Genen lokalisiert sein können. Es gibt mindestens sechs „relativ häufige“ − auch die sind recht selten ─ und noch eine ganze Reihe SEHR seltene Genmutationen. Am häufigsten bei uns in Deutschland sind Mutationen des sogenannten GBA-Gens. Diese Genmutation stört die Aktivität eines Enzyms, das normalerweise im Stoffwechsel von Gehirnzellen aktiv ist und im Inneren der Zellen zuckerhaltige Fettstoffe unschädlich macht und abbaut. Durch diese Aufhäufung schädlicher Stoffe sterben die Gehirnzellen schließlich ab. Mutationen des GBA-Gens werden bei etwa 5 bis 10 Prozent aller Patientinnen und Patienten gefunden, führen aber nicht zwingend zur Erkrankung, sondern nur bei einem Teil der Mutationsträger.

Wie wird die Erkrankung diagnostiziert?
Die Erkrankung wird klinisch diagnostiziert, nach einer körperlichen und neurologischen Untersuchung. Die Symptome sind dabei ein wichtiges Kriterium für die Diagnose. Die genetische Ursache finden wir dann durch Gensequenzierung. Dabei handelt es sich um eine molekularbiologische Laboranalyse. Mit deren Hilfe können wir das genetische Material, das vom Patienten zur Verfügung steht – also dessen Erbgut ─ entziffern und Genmutationen entdecken, die Parkinson verursachen.

Wie unterscheidet sich die erbliche Form der Parkinson-Erkrankung von der weitaus häufigeren „spontanen“ Variante?
Im Schnitt sind Patienten mit familiärer Parkinson etwas jünger bei Erkrankungsbeginn. Meist tritt die erbliche Form vor dem 50. Lebensjahr auf.

Wie viele Patienten gibt es in Deutschland?
Es gibt 200.000 bis 300.000 Parkinsonpatienten in Deutschland, bei schätzungsweise 10 Prozent davon besteht eine genetische Ursache der Erkrankung.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Die Symptome werden bei den genetischen Formen genauso behandelt wie bei den sporadischen: Seit vielen Jahren setzt man den Antiparkinson-Wirkstoff L-Dopa ein, der die Dopaminkonzentration im Hirnstamm erhöhen soll. Das gleicht den Dopaminmangel aus, der bei Parkinson aufgrund des Verlustes von dopaminergen Nervenzellen in der schwarzen Substanz des Gehirns zustande kommt. Bei genetischen Formen wird aber zusätzlich in Studien versucht, die Folgen des Gendefekts direkt zu korrigieren oder abzumildern. Dabei werden gentechnisch modifizierte Viren injiziert, die die Dopaminausschüttung steigern sollen. Außerdem dienen Physio- und Ergotherapie, Logopädie und Entspannungsübungen, die Mobilität so lange wie möglich zu erhalten.

Woran wird geforscht? Welche neuen Ansätze werden untersucht?
Konkret fokussieren wir uns am DZNE auf die GBA-Genmutation: Diese erforschen wir an allen DZNE-Standorten in der DESCRIBE-PD-Studie. Im Rahmen dieser Studie werden derzeit insgesamt 400 Studienteilnehmer mit und ohne Parkinson im Alter von 40 bis 90 Jahren untersucht, wobei in beiden Gruppen Menschen mit und ohne GBA-Genmutation sind. Unser Ziel ist eine geno- und phänotypische – also die genetische Zusammensetzung und die sichtbaren Eigenschaften betreffende – Charakterisierung von GBA-assoziiertem Parkinson hinsichtlich motorischer und nicht-motorischer Symptome. Zudem wollen wir spezifische Biomarker in Blut, Nervenwasser und Zellmodellen identifizieren, die GBA-assoziiertes Parkinson aufdecken. Besonders interessant ist, dass es seit kurzem möglich ist, die fehlgefaltete Form eines Proteins, alpha-Synuclein, das bei Parkinsonpatienten in den Dopaminzellen verklumpt und wahrscheinlich zur Zellschädigung beiträgt, direkt im Nervenwasser nachzuweisen. Wir arbeiten daran, diesen Nachweis zu optimieren und auch im Blut anzuwenden. Das könnte einen großen Fortschritt für die Früherkennung bedeuten.


Februar 2024

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