Daten der Bonner „Rheinland Studie“
Bonn, 14. April 2021. Es ist eine offene Frage, inwiefern nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion der Schutz vor einer Neuinfektion besteht. Neue Befunde dazu liefert nun die „Rheinland Studie“, eine bevölkerungsbezogene Studie des DZNE im Raum Bonn. Blutproben aus dem vergangenen Jahr belegen, dass eine wichtige Komponente der Immunität – die Konzentration spezifischer, neutralisierender Antikörper gegen das Coronavirus – nach vier bis fünf Monaten bei den meisten Studienteilnehmenden mit einer vorherigen Infektion abgenommen hatte. Bei manchen sank der Antikörper-Spiegel sogar unter die Nachweisgrenze. Diese im Wissenschaftsjournal „Nature Communications“ veröffentlichten Ergebnisse legen die Basis für geplante Folgeuntersuchungen.
Zwischen April und Juni 2020 wurden im Rahmen der Rheinland Studie – eine laufende DZNE-Studie, die die Gesundheit in der Bevölkerung untersucht – rund 5.100 erwachsene Bonnerinnen und Bonner auf Antikörper gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 untersucht. Dafür wurden Blutproben entnommen und analysiert. Bei positivem Erstbefund in einem sogenannten Immunoassay durchliefen diese Proben zusätzlich einen „Plaque-Reduktions-Neutralisationstest“, um sicherzustellen, dass sich die nachgewiesenen Antikörper spezifisch gegen SARS-CoV-2 richteten – und nicht gegen andere Coronaviren, die beispielsweise normale Erkältungen auslösen können. Das Team der Rheinland Studie kooperierte für diese Analysen mit dem Institut für Virologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Schwindende Antikörper
Antikörper sind vom Immunsystem produzierte Eiweißstoffe, mit dem sich der menschliche Organismus gegen Krankheitserreger zur Wehr setzt. Bei 22 Studienteilnehmenden konnten „neutralisierende“ und somit besonders wirksame Antikörper, die das Eindringen von SARS-CoV-2 in Zellen unmittelbar verhindern, nachgewiesen werden – was auf einen früheren Kontakt mit dem Virus hindeutete. Die Mehrheit dieser Personen berichtete nur von einem milden oder gar asymptomatischen Krankheitsverlauf. Sie wurden im September 2020 – also ungefähr vier bis fünf Monate nach der ersten Blutprobe - erneut getestet. Fazit: Bei den meisten war der Antikörper-Spiegel gesunken; bei vier Personen konnten sogar keine Antikörper mehr nachgewiesen werden.
„Diese Untersuchungen fanden während der ersten Welle der Pandemie statt. Die Zahl der Menschen, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits infiziert hatten, war daher relativ gering. Inzwischen haben wir eine andere Situation“, sagt die Leiterin der Rheinland Studie Prof. Monique Breteler. „Unsere Ergebnisse lassen dennoch den Schluss zu, dass das weit verbreitete, nur einstufige Verfahren zum Nachweis von SARS-CoV-2-Antikörpern mittels Immunoassay unzureichend ist, um eine überstandene Infektion zuverlässig nachzuweisen. In unserer Stichprobe hatte jedenfalls nur etwa ein Drittel der Personen, die beim Immunoassay positiv waren, tatsächlich spezifische Antikörper gegen SARS-CoV-2. Das sollte bei Studien zur Immunität berücksichtigt werden. Aus meiner Sicht ist ein mehrstufiges Testverfahren, wie wir es angewandt haben, dringend zu empfehlen.“
Dauer der Immunität gegen SARS-CoV-2
Aus diesen Studiendaten lässt sich allerdings nicht direkt ableiten, inwieweit das Schwinden der Antikörper die Immunantwort beeinflusst, so Dr. Ahmad Aziz, DZNE-Wissenschaftler und Erstautor der aktuellen Veröffentlichung. „Der Rückgang an Antikörpern scheint relativ schnell zu gehen. Das Immunsystem hat allerdings weitere Instrumente, um Krankheitserreger abzuwehren. Antikörper sind zweifelslos bedeutsam, aber nur Teil eines größeren Arsenals. Andere Studien deuten darauf hin, dass eine andere Komponente, die wir die zelluläre Immunantwort nennen, trotz fallender Antikörper-Spiegel weiterhin Bestand haben kann.“
Tatsächlich weiß man noch wenig über die Dauer der Immunität gegenüber SARS-CoV-2 nach einer Infektion. Das könnte auch von der jeweiligen Virusvariante abhängen. „Seitens der Rheinland Studie wollen wir die Entwicklung der Pandemie weiterverfolgen und ihre Auswirkungen auf die geistige und körperliche Gesundheit der Bevölkerung erfassen. Unsere Untersuchung ist die Grundlage dafür“, sagt Studienleiterin Breteler. „Letztlich wollen wir helfen, besser zu verstehen, warum manche Menschen eine Infektion gar nicht bemerken und andere schwer erkranken.“
Dafür setzen die Forschenden auf den Datenbestand der Rheinland Studie. Von allen Teilnehmenden werden umfangreiche Daten zu Gesundheit und Lebensstil erfasst, etwa zum Blutbild, Körperzusammensetzung, Herz-Kreislauf-Funktion sowie zu Schlaf, Ernährung und körperlicher Aktivität. „Über alle Studienteilnehmer haben wir Hintergrundinformationen, die für die Gesundheit relevant sind. Diese könnten ein Schlüssel sein, um die Auswirkungen einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu verstehen und Risikofaktoren zu identifizieren“, so Breteler.
Hinweis: In der ursprünglichen Fassung dieser Pressemitteilung war die Anzahl der Personen, von denen Blut entnommen wurde, nicht korrekt angegeben. Wir haben dies korrigiert.